Totenstadt
Diwan herabfahren. »Sie haben Sie benutzt, um fünf Menschen zu töten, deren schlimmstes Verbrechen das Verlangen nach einer Tasse Kaffee war. Und Sie wollen deswegen nichts unternehmen?«
Christophe seufzte und massierte sich die Schläfen, um den nahenden Kopfschmerz im Keim zu ersticken. Er erhob sich von seinem Stuhl. Wenn ein einfacher Blick in die Welt, aus der er stammte – und die zu ihm zurückgekommen war, um ihn zu zerstören –, diese beiden von ihrem Vorhaben abbringen konnte, dann war es seine Pflicht, ihnen diesen Blick zu ermöglichen.
»Kommen Sie mit mir«, sagte er leise. »Ich habe etwas, das ich Ihnen zeigen muss.«
Er führte sie in die Seitenhalle und dann in den hinteren Teil des Hauses. Er schaltete eine Außenlampe an und ging dann durch die Hintertür und die Stufen hinunter. Sein Hinterhof war klein und abends stets düster, das Blätterdach der Eichen ließ kein Mondlicht hindurch. Hier lebten die Schatten und die Geheimnisse der Nacht wie sein eigener kleiner Flecken seines Heimatlandes.
Sie standen vor einem Mülleimer aus Plastik, und Christophe hob den Deckel hoch. Er holte eine verschlossene Plastiktüte daraus hervor, in der sich etwas Weiches und Schlaffes befand, und hielt sie ins Licht.
»Das ist ein … totes Huhn«, sagte April emotionslos.
»Ja. Der größte Teil davon.«
Er hielt es hoch und schwenkte es hin und her, sodass sie es sich genau ansehen konnten. Lass sie es sehen und spüren, das ungeahnte Mysterium. Lass sie wissen, dass es sie nichts angeht und auch nie etwas angehen wird.
Ein weißer Hahn mit glatten Federn und aufgrund der nahenden Verwesung zerrupftem Gefieder. Man hatte ihm den Hals umgedreht und den linken Flügel mit einer Klinge abgeschnitten. Dann hatte man ihm geröstete Kaffeebohnen in die Kehle gestopft, bis sie oben wieder rauskamen.
Ihr Schweigen war fast ehrfürchtig und hielt an, genau, wie er es erwartet hatte.
»Gestern war es vier Wochen her, dass mein Kaffee jene, die ihn gekauft haben, vergiftet hat. Und ich erhielt dies in einem Paket, gestern, mit der Post. Es gab natürlich keine Absenderadresse, das war auch nicht nötig. Er ließ mich einen Monat lang darüber im Unklaren, wer dafür verantwortlich war … und dann schickte er das. Diese Nachricht war deutlich genug.«
»Ist das … Voodoo?«, murmelte Justin.
»Nein. Das ist ein totes Huhn.« Christophe lächelte ihn an und war kurz davor, loszulachen. Ein totes Tier in der Hand eines Haitianers, und schon glauben die Blancs an ein rituelles Opfer. »Das bedeutet nichts außer dem, was der Absender damit sagen wollte. Er hätte eine zerbrochene Puppe oder ein Bild aus einem Magazin mit einem abgeschnittenen Arm schicken können, und die Bedeutung wäre dennoch dieselbe geblieben.« Er wackelte mit dem toten Huhn und warf es dann beiläufig wieder in den Mülleimer zurück und legte den Deckel darauf. »Das ist eine Nachricht von jemandem, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Das ist seine Art, mir zu sagen, dass er dafür verantwortlich war. Und es ist nicht mehr und nicht weniger als das …
Die Polizei sieht nur Dorcilus Fonterelle und sonst niemanden. Sie sehen nur Andrew Jackson Mullavey und seinen Bruder Nathan Forrest. Aber ich sehe Sklaven und Sklavenmeister. Sie und die Polizei, sie irren sich beide. Aber ich weiß, dass es jemanden geben muss, der die Sklavenmeister bezahlt. Einen, der über dem Gesetz steht, weil er derjenige ist, der es bestimmt.«
Christophe führte sie wieder zum Haus, und sie gingen ohne zu protestieren mit, aber sie waren ganz offenkundig verwirrt. Das war auch gut so. Durch die Verwirrung konnten mehr Leben gerettet als verloren werden.
»Und die Menschen, die gestorben sind? Um die habe ich geweint. Die Trauer, die verursacht wurde? Deswegen habe ich auch geweint. Um mich selbst habe ich ebenfalls geweint. Es ist nicht so, dass ich nichts wegen dem, was mir und ihnen angetan wurde, unternehmen möchte. Aber nichts kann sie wieder zurückbringen, und ich kann nichts tun, um jene, die dafür verantwortlich sind, einer Gerechtigkeit zu übergeben, die sie verstehen würden.«
Justin Gray stand auf der ersten Stufe der Treppe zur Hintertür, er drehte sich um und sah ihm ins Gesicht. »Also geben Sie auf.«
»Nein«, erwiderte er. »Ich bin bereits geschlagen.«
20
L ES C OCHONS S ANS P OLIS
Es war etwas ungemein Aufregendes, einem Mann in seinem eigenen Schlafzimmer die Hörner aufzusetzen, während er nicht da war. Man
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