Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
Vom Netzwerk:
kalte Realität erkannte. Für eine Ehe war der Zustand der Stagnation unerträglich, und wenn sich die Herzen aneinander vorbeientwickelten, so war das ebenfalls ihr Ende. Mullaveys Liebe zu ihr hatte sich seit ihrer Hochzeit sehr verändert, und er vergötterte sie nun eher als die Mutter seiner Kinder. Evelyn, die Reine, Evelyn, die Madonna. Vor vierzehn Jahren hatten sie getrennte Betten eingeführt, und seine körperliche Zuneigung war seitdem stetig geschwunden. Laut Evelyn war es vier Jahre her, dass sie sich das letzte Mal geliebt hatten.
    Aal wusste einiges davon von Nathan, der die Madonnenverklärung seines Bruders mit wachsendem Vergnügen beobachtete. Wer hätte gedacht, dass Andrew durch die Gedanken an seine eigene Frau impotent werden würde?
    Dass sie sich mit ihm abgab, fand Aal schmeichelhaft, aber er verstand es auch. Auch wenn er in dieser Hinsicht zur Verallgemeinerung neigte, so waren Südstaatenfrauen – jene von guter Herkunft – einfach anders, da ihre Entscheidungen in einem weitaus größeren Ausmaß als bei allen anderen Frauen von der Meinung der Öffentlichkeit, der Familie und den archaischen Loyalitätsvorstellungen abhingen. Sie gaben nur ausgesprochen ungern eine Niederlage zu, und eine kaputte Ehe glich einem ebensolchen Geständnis.
    Evelyn war im Grunde genommen nicht anders, aber sie wehrte sich zumindest auf heimliche Weise. Aal wusste, dass er nicht der Erste war. Sie hatte ihm kryptische Hinweise gegeben, dass sie zuvor schon zumindest einen anderen Liebhaber gehabt habe. Sein Platz in der Reihe bedeutete ihm nichts, er war schon zufrieden damit, dass er wohl mit Abstand derjenige war, den Mullavey – sollte er jemals von Evelyns Status als gefallene Madonna erfahren – am furchterregendsten finden würde. Er hatte sie letztes Jahr im Charbonneau’s kennengelernt, nachdem er jahrelang mitbekommen hatte, wie sich Nathan über A.J. und das Podest, auf das er seine Frau zu stellen pflegte, lustig gemacht hatte. Ein längerer Augenkontakt war alles, was nötig war, um die Lunte in Brand zu setzen, und das leichte Unbehagen, das sie zur Schau stellte, hatte Andrew zweifellos als die Reaktion seiner Madonna auf die Art Mann, die Aal war, zurückgeführt. Und dies könnte auch, zumindest teilweise, der Fall gewesen sein, aber sicherlich hatte seine Ausstrahlung als gewisse Bedrohung auch ihren Teil dazu beigetragen. Evelyn hatte schon zu lange ihre Rolle als gutes Mädchen und pflichtbewusste Ehefrau gespielt. Einige Tage nach ihrem ersten Treffen dachte sich Aal eine Ausrede aus, um nach Twin Oaks fahren zu können, und ihre Schicksale hatten sich augenblicklich miteinander verbunden.
    In all der Zeit, die seitdem vergangen war, hatte sie nie wirklich gewusst, was Aal so tat. Sie ließ sich nur zu gern belügen – dass er bei Nathan als Sicherheitsspezialist angestellt war –, obwohl auf ihrer Seite auch ein hohes Maß an Unwissenheit vorhanden war. Vielleicht vermutete sie es bereits oder hing einem Trugbild nach, das sie nicht wegen etwas so Unbedeutendem wie der Wahrheit aufgeben wollte.
    Fantasien hatten unter diesem Dach eine große Bedeutung. Andrew Jackson Mullavey hatte gewiss mit vielen eigenen dazu beigetragen.
    »Nehmen wir mal an, dass ich ihn verlassen würde«, sagte Evelyn. »Was soll ich dann machen? Würdest du mich aufnehmen? Denn ich bin nicht gern allein, das ist ein wichtiger Teil des Problems, ich bin allein in meinem Herzen, aber unten sind jede Menge Menschen, die im Allgemeinen genau das Gegenteil von mir denken. Also sag es mir hier und jetzt, Terrance Fletcher, würdest du mich bei dir aufnehmen?«
    Er lächelte. Angesichts ihres Tonfalls war dies eher eine trotzige Herausforderung als eine ehrliche Frage. Sie kannte die Antwort bereits.
    »Das würde einige ernsthafte Probleme hervorrufen«, erwiderte er.
    Sie schnaufte mit ernster Selbstgefälligkeit und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das habe ich mir gedacht.«
    Er drehte sich erneut auf die Seite und seine eisblauen Augen ließen ihren Blick nicht mehr los. »Aber ich glaube … ich würde wahrscheinlich für dich töten.«
    Evelyns verbittertes Lächeln verschwand und machte einer gewissen Unsicherheit Platz. »Soll ich das jetzt schmeichelhaft finden?«
    Er hatte es keinesfalls als Bedrohung gedacht, auch nicht gegen Mullavey, und sie fasste es auch nicht als solche auf. Es zeigte nur erneut seine Unergründbarkeit.
    »Ich muss gehen«, meinte Aal dann. »Faconde fragt sich

Weitere Kostenlose Bücher