Totenstadt
er bei sich hatte.«
»Die Caribe-Dateien.«
»Genau.«
»Wie war doch gleich sein Name? Gray, nicht wahr? Mit wem hat er gesprochen?«
»Mit einem Detective namens Crawford. Der hält sich selbst für unantastbar, aber er hat Gray weggeschickt und der ganzen Sache nicht getraut. Was ja durchaus verständlich ist, wenn er da einfach so aufkreuzt, aber das verzögert das Unausweichliche nur.«
»Ja, und wenn er lange genug sucht, findet er vielleicht noch jemanden, der ihm zuhört.« Aal streckte die Finger und spürte ein Verlangen, das bis in die Seele zu reichen schien. Probleme, Lösungen. Da war er am besten, und auf diese Gelegenheiten stürzte er sich begierig. »Soll ich mich darum kümmern?«
Nathan schüttelte den Kopf. »Ich habe schon alles in die Wege geleitet.«
Schmerzhafte Enttäuschung. Aber es war ja nicht so, dass er nicht schon genug zu tun hätte. »Weiß Ihr Bruder es schon?«
»Natürlich nicht. Er bekommt einen Herzinfarkt, wenn er das erfährt, so wie er vor einigen Tagen drauf war. Wenn A.J. einen kriegt, dann will ich dabei sein. Ich sage ihm schon seit einer Ewigkeit, dass er trainieren und sich irgendetwas suchen muss, um den Stress abzubauen, aber hört er auf mich? Nein, er heuert Volltrottel an und überlässt mir dann die Drecksarbeit.« Nathan hielt inne und dachte kurz nach. »Vielleicht erzähle ich es ihm morgen persönlich, wenn er in der Stadt ist.«
»Was ist mit Luissant? Ändert das irgendetwas?«
Nathan wedelte abwehrend mit der Hand. Er drehte sich um und begann, die Treppe hinaufzugehen, dann hielt er auf dem ersten Treppenabsatz an. Er sah zu ihm hinunter und zeichnete sich mit seinen hochgekrempelten Hemdsärmeln überdeutlich vor der zinnoberroten Tapete ab. »Sagen Sie mir einfach Bescheid, bevor Sie irgendwo anders hingehen.«
Aal fand Luissant Faconde in der Küche, wo er mit einer der Kellnerinnen schwatzte. Die Triebe dieses Kerls gaben wohl niemals Ruhe; es schien ihm nichts auszumachen, dass sie offensichtlich vor ihm zurückwich.
»Lassen Sie sie ihre Arbeit machen«, sagte Aal.
»Ja, ja.« Faconde und sein engelhaftes Lächeln. Er winkte der Frau zu. »Vielleicht sehen wir uns später noch? Ja?«
Sie lächelte übertrieben freundlich zurück. »Vielleicht wenn Ihnen ein neuer Arm gewachsen ist.«
Facondes Zorn brandete sofort auf und war mörderisch. Seine Stimme wurde zu einem Brüllen, er stürzte mit erhobenem Arm nach vorn, als wolle er sie schlagen, und schon war die Aufmerksamkeit des gesamten Küchenpersonals auf ihn gerichtet. Die Kellnerin ging einige Schritte zurück, und hinter ihr schnappte sich einer der Köche ein großes Hackebeil. Aber so weit musste er nicht gehen, denn Aal schoss an Facondes Seite und führte ihn aus dem Raum, dabei konnte er die Anspannung in jedem Pfund des massigen Körpers deutlich spüren. Aal hielt Faconde fest, bis sie die Küche verlassen und durch den Gang zu den hinteren Lagerräumen gegangen waren.
In seinen Augen war deutlich der Schmerz über all das zu sehen, was er verloren hatte. Früher hätte es niemand gewagt, so mit ihm zu reden, ohne sich vor seiner Vergeltung zu fürchten. Aal empfand beinahe so etwas wie Mitleid mit ihm.
Endlich beruhigte er sich wieder. »Sie ist ein Nichts«, sagte Faconde. »Ich werde später da essen, und sie wird mich bedienen, dann zeige ich ihr, was sie für ein Nichts ist.«
Der Mächtige war ziemlich tief gefallen.
»Nathan hat oben zu tun«, erklärte Aal und schnitt ein neues Thema an. »Es gibt Probleme mit einem Reislieferanten, der Vertreter ist jetzt da, und er sagte, es wird noch mindestens eine halbe Stunde dauern. Wir haben noch etwas Zeit, aber er würde es bevorzugen, wenn wir hier unten bleiben.«
Er ließ die Momente verstreichen. Faconde dachte darüber nach, ob er in dieser stickigen Luft bleiben wollte, in der ihn boshafte Augen beobachten würden.
»Sie waren noch gar nicht unten und haben sich meinen Humfo angesehen«, schlug er dann vor. »Ist Ihnen das schon aufgefallen?«
Facondes rundes Gesicht wurde von einem schiefen Grinsen aufgehellt. »Wo der Djab Blanc seine Magie ausübt?«
»Möchten Sie ihn sich jetzt ansehen, wo wir Zeit dazu haben?«
»Warum nicht.« Faconde nahm seine runde Brille ab und blickte mit gerunzelter Stirn auf die beschlagenen Gläser, die er dann an seinem Hemd abwischte. »Wenn ich so aus dieser Luft rauskomme.«
Aal geleitete ihn in den Lagerraum, von dem die Treppe in den Keller hinabführte. Dann ging es
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