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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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auch wirklich verdienten, gedacht.
    Aal ging hinüber zum Ofen in der Wand und setzte das Feuer in Gang, um eine lange, geringe Hitze zu erhalten. Für diesen Einsatz hatten ihn seine französischen Bauherren gewiss nicht gedacht. Aber die kulturelle Vielfalt war doch genau das, was New Orleans so großartig machte.

21
E SKALATION
     
    Sie nahmen in der St. Charles die Straßenbahn, um den Garden District und das Haus von Christophe Granvier zu verlassen. Dieses niederschmetternde Gefühl des Scheiterns hatte Justin schon früher verspürt. Ihm war, als habe er bei einem Vorstellungsgespräch einen unglaublich schlechten Eindruck hinterlassen. Es war ja nicht so, dass er daran gescheitert wäre, Granvier auf das Problem aufmerksam zu machen – jeder konnte mal scheitern –, sondern dass dieses Gefühl der Ablehnung so überwältigend zu sein schien.
    »Weißt du«, sagte April, »genauso schlimm wie die Tatsache, dass fünf Menschen an Zyanidvergiftung gestorben sind, finde ich diese unglaublich schrecklichen anderen Geschichten, die nebenbei ablaufen, wie dieses Huhn.« Sie verzog angewidert die Lippen. »Das ist einerseits irgendwie witzig … aber andererseits ist es auch ganz schön krank.«
    Justin nickte. Er hatte diesen kleinen ornithologischen Talisman nicht vergessen, den er in seinem Gästezimmer bei Mullavey gefunden hatte. Er hatte ihn aufgehoben, einerseits als mahnendes Andenken und andererseits auch als trotzige Reaktion. Bisher war ihm nichts besonders Schlimmes zugestoßen, wenn er also als irgendein Unglücksbringer gedacht war, dann hatte er nicht funktioniert. So wie die Dinge gelaufen waren, hatte nur Leonard ein besonderes Schicksal ereilt.
    »Du arbeitest für wirklich seltsame Leute«, murmelte sie und klang so erschöpft, wie er sich auch langsam fühlte. Sie zog die Beine unter sich und machte sich auf dem hölzernen Sitz ganz klein.
    Die Straßenbahn klapperte und wackelte unter ihnen, und als er die anderen Fahrgäste aus dem Augenwinkel betrachtete, fragte er sich, warum sie ein weitaus produktiveres Leben zu führen schienen. Sie waren grausame Fremde, Engel, die geschickt wurden, um sie durch ihren Spott zu prüfen.
    Aprils sanfte, kalte Hand massierte seinen Nacken, und er schloss die Augen und überließ sich ihrer Berührung.
    »Was ist mit diesem Kerl von der Zeitung, mit dem du neulich gesprochen hast?«, sagte er. »Wie war doch gleich sein Name?«
    Ihre Hand lag noch immer in seinem Nacken. »Ähmmmm … Ron. Ron Babbet. Wieso?«
    »Denkst du, er könnte Interesse an der Geschichte haben? Wenn niemand sonst daran glauben oder etwas deswegen unternehmen will, dann interessiert es vielleicht die Medien.« April nickte leise und sagte, sie könnten es ja mal versuchen, sie könnte seine Nummer anrufen, sobald sie zurück im Hotel waren. Sie war müde, das sah er ihr an, wie sie da auf dem Sitz zusammengesunken war. Sie bemühte sich so sehr, hart zu bleiben und das durchzustehen, und über kurz oder lang würde sie dem Ganzen Tribut zollen müssen. Er hoffte, dass sich die Maschinerie irgendeiner Gerechtigkeit in Gang setzen würde, bevor sie ihre Reserven aufgebraucht hatte.
    »Aber was ist, wenn er es auch nicht glaubt?«, meinte sie. »Und selbst wenn Ron Babbet darauf anspringt, dann könnte sein Herausgeber einen Blick auf den Artikel werfen, wie auch immer dieser aussehen mag, und ihn gleich ins Klo werfen. Denn es ist doch sehr wahrscheinlich, dass Mullavey die Zeitung danach verklagt. Oder er geht mit dem Besitzer Golfen und kann die Veröffentlichung auf diese Weise verhindern. So was habe ich alles schon gesehen, Justin. Ich habe auch mal für eine Zeitung gearbeitet, und ich weiß, dass es passiert. Was dann?«
    Er nickte und sah ihr nicht in die Augen. Es war weitaus weniger bedrohlich, aus dem Fenster zu sehen. »Dann passiert es erneut.«
    »Und was willst du dann machen?« April ließ nicht locker. »Ich kann … nicht zusehen … wie du dich zerreißt, jeden Tag ein Stückchen mehr. Du wirst dasitzen, die Wände anstarren und es dir wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen, und dann überlegst du, ob du nicht doch noch etwas tun kannst.« April holte tief Luft, fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar und legte die Hand dann vor die Stirn. »Ich weiß, dass es wichtig für dich ist, und ich weiß auch, warum. Es ist auch mir sehr wichtig. Aber manchmal kommen Leute wie Mullavey mit so was durch. Sie kommen einfach damit durch.«
    Und Leute wie wir

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