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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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lagen, sowohl im bildlichen als auch im wörtlichen Sinne. Und als er einige Stockwerke weiter oben Deputy Director Coffmann aus der DDO-Abteilung einen Besuch abgestattet hatte – dem ein Telefonanruf in dessen Haus in Arlington Samstagnacht vorausgegangen war –, wurde er auch schon mit der Höflichkeit, die einem ehrenvoll in den Ruhestand versetzten Officer zustand, behandelt und hatte eine widerwillig erteilte Freigabe, Nachforschungen in den besonderen Archiven anzustellen.
    Ausschließlich zur privaten Nutzung, versprach er. Nein, er wollte kein Buch schreiben. Nein, er plante auch keine Vortragsreihe. Und nein, er arbeitete auch nicht als Berater einer Filmcrew. Er wollte aus keinem dieser Gründe die Dateien der Agency durchsehen. Und er hätte schwören können, dass Coffmann unglaublich dankbar aussah.
    Wenn man wusste, wie man mit diesen Männern umzugehen hatte, dann konnte man die Gefallen beinahe schmerzfrei einfordern. Trotzdem hatte ihn Fort Bragg nie auf diese Lebensweise vorbereitet.
    Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
    Zu schade, dass das Johannesevangelium ihn nicht darauf hingewiesen hatte, wie lange es dauern würde, die Wahrheit zu erkennen.
    Haiti war der letzte Strohhalm gewesen, und Moreno konnte es nicht mal an einem besonderen Ereignis festmachen. Sein Enthusiasmus für seine Karriere war verschwunden, nicht mit einem Knall, aber mit einer Reihe fast unhörbarer Töne.
    Haiti stellte seinen dritten Auslandsaufenthalt dar, und er war Mitte 1985 dorthingeflogen. Wenn man Haiti das erste Mal aus der Luft sah, dieses westliche Drittel der Insel Hispaniola, dann vergaß man diesen Anblick nie mehr. Die Dominikanische Republik im Osten sah aus wie grüner Samt. Und Haiti? Man konnte die Grenze aus fünfzehntausend Fuß Höhe ziemlich gut erkennen. Zerklüftete braune Berge, die nach der unkontrollierten Abholzung durch die armen Bauern, deren letzte finanzielle Zuflucht es war, die Bäume zu fällen und in Kohle zu verwandeln, nackt geblieben waren. Aus der Luft sah Haiti für Morenos Augen aus wie eine riesige Krabbenklaue, und Port-au-Prince ruhte gemütlich zwischen den Zangen.
    Es war kein Wunder, dass dieses Land in seiner Geschichte kaum Frieden gefunden hatte, wenn selbst die Geografie derart unter Druck stand.
    Moreno war dort, um dafür zu sorgen, dass die Duvalier-Dynastie keine weiteren sechs Monate überleben würde. Wie bei früheren Aufträgen wurde er als Drohne in der Botschaft untergebracht und verbrachte dort so wenig Zeit wie möglich. Moreno sprach nun fließend Kreolisch, so gut wie alle anderen, und er mischte sich unter die haitianischen Bauern, um Verbündete für seine Sache zu finden. Unter den Anti-Duvalieristen in den organisierten Gruppen und den lockeren Verbindungen fielen seine Vorschläge auf fruchtbaren Boden, und wenn es etwas an diesen Menschen gab, das Moreno zutiefst beeindruckte, dann war das ihr Eifer, mit dem sie sich der Befreiung ihres Landes widmeten, für die sie sogar zu sterben bereit waren. Bereitwillig. Und das nicht als Märtyrer oder Helden, sondern als williges Kanonenfutter. In einer dieser Gruppen traf Moreno Christophe Granvier – der angesichts seiner amerikanischen Ausbildung und seines Hintergrunds ein Glücksgriff war –, und er verwandelte den Mann in seine Augen und Ohren.
    CIA Case Officers machten sich nur selten die Hände schmutzig. Sie waren Ausbilder, verkauften Idealismus, versorgten andere mit Waffen und Söldnern, handelten mit Macht und dachten in logistischen und statistischen Bahnen. Die meisten von ihnen hatten noch nie im Leben eine Waffe getragen.
    Und so war es auch in Haiti gewesen. Arsenale fremder Waffen – die nie in Verbindung mit den USA gebracht werden konnten – waren ständig auf Lager, um die antikommunistischen Freiheitskämpfer in aller Welt zu unterstützen. Und während es immer mehr danach aussah, als ob Jean-Claude Duvalier unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen würde, wurden diese Arsenale für die haitianischen Rebellen vorgemerkt, falls es dem State Department nicht gelingen sollte, ihn ohne Blutvergießen zum Rücktritt zu zwingen. Ein Wort, und der Lufttransport würde beginnen. Dabei war es ohne Belang, dass Duvalier genauso wenig ein Kommunist war wie Ronald Reagan. Das Regime handelte immer weniger im Interesse der Agency, und in diesem Fall würde die Agency definitiv eingreifen.
    Es war eine üble Angelegenheit. Moreno bedauerte, jemals den

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