Totenstadt
die Beine aus dem Bett, und seine braunen Füße zeichneten sich deutlich gegen die hellen Dielenbretter ab.
»Jetzt habe ich Hunger«, sagte er.
Mama Charity lächelte. »Er hat auch in dir das Feuer entfacht, was?«
Napolean nickte.
Ihr Lächeln wurde breiter. »Dann sei willkommen, mein Kind. Willkommen. Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, hatte ich das Gefühl, dass ich dich eines Tages Hunsi nennen würde …
Manchmal … weiß man es einfach.«
24
L ANGLEY , V IRGINIA
Nachdem er seine Schützlinge in ihren Motelzimmern in Gretna zurückgelassen hatte, flog Ruben Moreno zurück nach Miami. Er besorgte sich einige Dinge, darunter einige alte Empfehlungen und einige Gefallen, die er von einem früheren Kollegen einfordern konnte, dann buchte er für Sonntagnachmittag einen Flug nach Washington, D.C. Am frühen Montagmorgen war er bereit für einen kurzen Trip in die Vergangenheit und ein wenig Nostalgie. Er zog seine geliebte Bomberjacke und die braunen Hosen aus und schlüpfte in einen selten getragenen grauen Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte. So. Gute kleine Drohne.
Zehn Meilen mit dem Taxi, dann sah er auf den Potomac herab und war in Langley, Virginia. Dem Hauptquartier der Central Intelligence Agency.
Moreno nannte der Wache am Eingangstor seinen Namen und ging in ein Gebäude, um sich im entsprechenden Büro seinen Besucherausweis zu holen. Was für eine abgekapselte Welt, ein Bienenstock voller bürokratischer Bienen, bei denen die eine Hälfte nicht wusste, was die andere tat. Das große Foyer war gewaltig, massiv wie ein Berg, und passte sehr gut zu einer Abteilung der Regierung mit seinen Wänden und Säulen aus weißem Marmor. Auf einer Wand war das Motto der Agency eingraviert, das von den Evangelien abgeleitet wurde: Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Moreno hatte nicht sehr lange gebraucht, um dies mit nichts anderem als einem bitteren Lachen quittieren zu können.
Er war direkt von den Special Forces in Vietnam rekrutiert worden und mit hohen Idealen in das Training der Agency in Camp Perry gegangen. Erstaunlich vielen von ihnen war es ebenso wie ihm gegangen, sie waren halt durch und durch Patrioten. Man schrieb das Jahr 1974, und seine zweite Dienstzeit hatte ihm kurzzeitig beinahe die Entlassung aus dem Staatsdienst beschert.
Ruben Moreno war bestens geeignet für die Agency, er war ein Kommunikationsexperte und besaß ein Talent für Sprachen. Als er in Vietnam eintraf, sprach er seine Muttersprache, nämlich Englisch, und außerdem fließend Spanisch und gebrochen Französisch, und als er abreiste, beherrschte er drei vietnamesische Dialekte und konnte sich auch gut auf Russisch verständigen. Als Sohn eines kubanischen Vaters und einer schwarzen Mutter konnte er als Lateinamerikaner oder Farbiger durchgehen, und als sich sein Trainingsjahr dem Ende entgegenneigte, sah es so aus, als sei er für den Dienst in Lateinamerika oder in der Karibik auserkoren.
Aber die Arbeit eines Agenten der Agency verlief in einem völlig anderen Klima als das Training. Beide Operationen in Vietnam hatten die CIA in der ganzen Welt zur Lachnummer gemacht sowie zum Prellball der freien Presse. Inkompetenz wurde in Langley routinemäßig mit Medaillen und Beförderungen belohnt. Alles natürlich nur, um die Moral hochzuhalten: Die Agency sorgte für ihre Mitarbeiter. Und das waren die Menschen, von denen er geglaubt hatte, er würde mit ihnen zusammen seinem Land dienen?
Moreno kam 1975 in den aktiven Dienst, er dachte, wenn er schon so weit gekommen war, dann könnte er seine Karriere auch durchstehen. Vielleicht würde er sogar dazu beitragen können, die Organisation zum Besseren zu wenden, von innen heraus.
Er konnte es zugeben. Er war ein naiver Trottel gewesen. Und das Abwerfen eines übermäßigen Idealismus mochte dazu beitragen, dass man ein längeres, gesünderes Leben führen konnte.
Was er heute tat, war allerdings eine ziemlich dreiste Aktion und die Tat eines Menschen, der sich die Ränge hinaufgearbeitet hatte und nicht so sehr an Bluff, Bedrohung und Verrat, sondern eher daran gewöhnt war, dem Papierkrieg aus dem Weg zu gehen und sich in einem bürokratischen Meer zu bewegen, in dem Regel Nummer eins Pass auf deinen Arsch auf und Regel Nummer zwei Suche nach Lecks lautete. Dass er frühzeitig in den Ruhestand gegangen war, bedeutete noch lange nicht, dass er vergessen hatte, wo einige Leichen aus Nicaragua vergraben
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