Totenstadt
Filmrechte liegen bei Ted Turner. Er zeigt ihn jeden Tag in einem Kino im CNN-Center in Atlanta!«
»Ted Turner!« Mullavey erschauderte. »Gott sei gedankt, dass sie den Film überhaupt in Farbe gedreht haben.«
»Ich glaube, dies könnte auch ohne eine direkte Verbindung zum Film funktionieren«, bemerkte Justin. »Wir müssen gar nicht direkt Vom Winde verweht, Scarlett O’Hara, Rhett Butler oder irgendetwas anderes sagen, das uns rechtlich daran binden würde.«
»Die Präsentation sollte einfach nur darauf hinweisen«, meinte Ty Larkin, der Vizepräsident der Werbeabteilung. »Wir werden wissen, dass es Vom Winde verweht ist, sie werden es auch wissen … wir sagen es bloß nicht direkt.«
»Das erspart uns eine Menge Geld, das wir für die Lizenzgebühren bezahlen müssten«, sagte der Marketingvizepräsident.
»Glauben Sie, dass Turners Leute uns wegen einer Copyrightverletzung an den Karren fahren können?«, wollte Mullavey wissen.
»Wir müssen es einfach von den Anwälten absegnen lassen«, erwiderte Leonard. »Aber ich sehe eigentlich keine Probleme, wenn wir nichts weiter machen, als Doubles zu verwenden. Dagegen können sie wohl kaum etwas sagen.«
Einige Augenblicke lang war es still, die Pause war der Stützpunkt, auf dem die Entscheidung gefällt wurde. Alle Augen waren auf Mullavey gerichtet. Und als er den Mund aufmachte, hätte Justin keinen größeren Triumph verspüren können.
»So machen wir’s«, sagte er.
Neunzig weitere Minuten nervenanspannender Euphorie, an den Wänden des Konferenzsaals hallten die logistischen Abwägungen wider, wie man Justins Idee in die Tat umsetzen konnte. Es wurde genauestens überprüft, dass Klient und Agentur auch auf derselben Wellenlänge lagen, um alle weiteren Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, die das Meeting zuvor noch so beschwerlich gemacht hatten. Sie legten ferner Deadlines für das Konzept, die Ausarbeitung und die Produktion fest.
Als alles vorüber war und der Trupp von Segal/Goldberg vor dem Fahrstuhl stand, fand sich Justin in der festen Umarmung von Leonard Greenwald wieder, der sagte: »Man muss ihn lieben, man muss diesen Kerl einfach lieben.« Justin war dankbar, als die Glocke das Eintreffen des Fahrstuhls signalisierte, denn er ging nicht davon aus, dass Leonard seine Umklammerung auch in der Haupthalle fortsetzen wollte.
»Augenblick«, rief jemand in der Mitte der Halle.
Ty Larkin, der Promo-Vizepräsident, eilte mit schnellen Schritten auf sie zu. Er war der Jüngste aus Mullaveys Gruppe und vielleicht Ende dreißig. Sandfarbenes Haar und schlaksig in einem Anzug, der ihm nicht so recht zu passen schien. Ein zu einfaches Gesicht, als dass es als gut aussehend durchgehen könnte, aber zu angenehm, um bloß einfach zu sein. Paradox.
»Mr Mullavey telefoniert soeben mit Tampa, aber er wollte, dass ich es Ihnen sage, bevor Sie abreisen.« Larkin vermied geflissentlich den Blickkontakt mit Todd, und Justin vermutete, welche Neuigkeiten er zu überbringen hatte. »Er möchte, dass Justin die Sache als Copywriter übernimmt.« Larkin zuckte leicht mit den Schultern und zeigte den Anflug eines Lächelns, c’est la vie. »Im Allgemeinen bekommt er, was er will.«
Justin lächelte zurückhaltend, der bescheidene Sieger. Auch wenn er im Inneren Purzelbäume schlug.
Der Wendepunkt, dachte er sich.
3
B ALLAST
Justin kam an diesem Nachmittag früher als sonst nach Hause, und er hatte einen Strauß Blumen in der Hand, als er durch die Tür trat. Es waren Gänseblümchen in blauem Papier, die einen Tag später schon traurig und verblüht aussehen würden. Vielleicht auch erst in zwei Tagen. Es war der Gedanke, der zählte.
Ihr Zuhause war ein Loft im ersten Stock, in dem April Kingston-Gray seit fast vier Jahren lebte und arbeitete; hier führte sie ihr eigenes kleines Werbegrafikstudio. Es war groß genug für sie beide, nachdem sie sich einverstanden erklärt hatte, an ihrer linken Hand einen Ring zu tragen und ihren Namen um einen Bindestrich und eine Silbe zu verlängern. Es hatte keinen Grund gegeben, von vorn in einem Heim anzufangen, das für beide fremd war. Das wenige, das er im letzten Jahr besessen hatte, als die Ehe zu einer lebensfähigen Möglichkeit wurde, passte bequem noch mit in das Loft.
Ajax begrüßte ihn zuerst, sie wickelte sich in feliner Lebensfreude um seine Beine, schnurrte eindringlich und sah mit großer Sehnsucht zu ihm hinauf. Er hätte schwören können, dass diese Katze 60 Prozent der
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