Totenstadt
Zeit rollig war. Die restliche Zeit nutze sie zum Fressen und Schlafen.
»Na, du Schlampe.« Er kniete sich hin, um sie hinter den Ohren zu kraulen, und Ajax stemmte sich gegen seine Finger. Er verwöhnte sie, bis sie sich drehte und ihr Hinterteil in seiner Hand landete, da stand er auf. Das konnte er auf den Tod nicht ausstehen.
Justin warf seine Jacke und die Krawatte auf den Küchentisch, dann fand er April im Bad, das voller Dunstschwaden hing, da sie gerade geduscht hatte. Die Hochzeit war noch nicht so lange her, und er war noch immer sofort entzückt, wenn er sie nackt sah. Das Handtuch, das sie um die Hüfte geschlungen hatte, ließ sich leicht loswerden. Er mochte es sehr, dass sie es auf diese Weise trug. Jede Frau, die er bis dato gut genug gekannt hatte, um sie direkt nach dem Duschen zu sehen, hatte das Handtuch zwischen ihren Brüsten verknotet. April war anders.
Sie lächelte ihm im Spiegel zu, der ganz streifig war, da sie ihn nur kurz abgewischt hatte. Er hielt die Gänseblümchen hoch, damit ihr Spiegelbild sie sehen konnte, und sie drehte sich um, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Ihr Haar war immer noch nass und roch nach Wildblumenshampoo. Sie nahm die Gänseblümchen entgegen und vergrub ihr Gesicht darin, um den Duft einzuatmen.
»Na, du bist mir ja heute ein Kavalier«, sagte sie.
»Ich hab sie am Flughafen gekauft. Drei Dollar, und Reverend Sun Myung Moon bekommt meine Seele. Ich werde noch ein richtiger Schnäppchenjäger.«
»Ich bin gerührt.« Sie zog mit einem leichten Anflug von Sarkasmus eine Augenbraue hoch und drehte sich dann um, um ihr Haar zu kämmen.
Justin trat näher an sie heran und legte den Arm um sie, um sie mit dem Rücken an seinen Bauch zu drücken. Er nahm eine Brust in jede Hand. Kleine, feste Brüste. Sie passten zu ihrem Körper, dessen Chromosomen zu einem Viertel japanische Gene enthielten. April schloss die Augen und lehnte sich einige Sekunden lang an ihn, dann riss sie sich los.
»Lass das.« Ein makabrer Teil von ihm freute sich, dass ihre Stimme zumindest bedauernd klang. »Du weißt, dass wir keine Zeit dafür haben, nicht heute.«
Sie hatte natürlich recht. Sie mussten in einer Stunde auf dem Empfang eines Kunden sein – ihres Kunden, nicht seines. Er entblätterte sie trotzdem, um die Leidenschaft noch ein wenig brodeln zu lassen, schloss die Augen und lehnte sich gegen sie, wobei ihn ihr feuchtes Haar abkühlte und besänftigte. Schnelle Küsse, wie gestohlene Momente. Ein Paar mit zwei Karrieren, da musste der Sex manchmal auf Sparflamme gestellt werden. Aber sie hatten einen Pakt geschlossen, dass für Zärtlichkeiten stets Zeit sein musste.
Sie sahen gut zusammen aus, dachte er, als er ihr Spiegelbild begutachtete. Sie passten zueinander. Mit einem Viertel japanischem und drei Viertel weißbrotamerikanischem Blut strahlte April eine leichte Exotik aus. Das Orientalische war nicht auf den ersten Blick erkennbar, blitzte aber gelegentlich auf, wenn sie ihren Kopf auf eine bestimmte Weise neigte oder wenn ihre Augen plötzlich weniger rund, sondern eher mandelförmig erschienen. Das war ein unzweifelhaftes Mysterium. Justin bildete ein gutes Gegengewicht zu ihr. Sie hatten beide schwarze Haare und braune Augen. Dank eines lange verblichenen walisischen Urahns besaß er hohe Wangenknochen und eine schalkhafte Androgynität. Das zuweilen aufflackernde Schimmern in seinen Augen war zweifellos im Verlauf jahrelanger gelegentlicher Banditenstreifzüge kultiviert worden. Er sah jetzt gesünder aus als vor vierzehn Monaten, als er aus dem Mittleren Westen nach Florida gezogen war, und er nahm an, dass er das auch war, sowohl mental als auch körperlich. Er bewegte sich mehr, trank weniger und bekam langsam sein Leben unter Kontrolle. Den Rest besorgte die Sonnenbräune; er hatte so viel, dass er ein wenig Farbe hatte, aber nicht genug, um sich Sorgen wegen der Melanome machen zu müssen.
Die Umklammerung wurde gelöst, und April schnappte sich den Haartrockner vom Wandhaken, den sie mit der Geschicklichkeit eines Revolverhelden handhabte.
»Wie ist das Meeting heute gelaufen?«, rief sie über das Dröhnen hinweg.
»Besser als erwartet. Für mich jedenfalls. Mit Ausnahme der Tatsache, dass Todd versucht hat, mich umzubringen.«
Sie warf ihm im Spiegel einen skeptischen Blick zu; war das sein Ernst oder machte er bloß einen Witz? Er hatte wirklich geisterhafte blaue Flecken am Hals, die in Form und Größe in etwa Todd Whitleys
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