Totenstadt
Gottes Namen, dann konnte er nicht mehr beten, er hatte keine Worte dafür, und sein Herz verweigerte sich. Doch sein Zorn kam umso leichter zu Tage.
»Wir haben Ihnen vertraut!«, schrie er Mama Charity an. »Sie sollte … geschützt sein vor dieser Scheiße! Wir haben Ihnen vertraut, und es hat nicht funktioniert. Es hat nicht funktioniert!«
»Ich kann keine Wunder wirken, mein Junge. Und keine Magie der Welt kann eine solche Vergiftung verhindern.« Mama Charity hielt Aprils Hände hoch, sodass er sie sehen konnte. »Wie sehen ihre Nägel aus? Genauso wie bei ihrer Ankunft hier?«
Er sah sich panisch jeden einzelnen an, ging die Konturen nach, die Art, wie sie immer in Form feilte. »… ja …«
»Dann hatte er vielleicht nicht die Zeit, ihr mehr zu nehmen als die nächsten drei Tage«, und er suchte in ihrer Stimme nach etwas, an dem er sich festhalten konnte, nach einem letzten Hoffnungsschimmer. Wie leicht mussten die wahrhaft Verzweifelten und Bedürftigen Scharlatanen in die Hände fallen.
Mama Charity wandte sich an Moreno und untersuchte jede Wunde. »Aber Sie … Sie hatten nicht so viel Glück wie sie. Er hat einige Ihrer Haare. Er ist sogar mit einem Teil von Ihnen entkommen, er hat Ihr Fleisch … Blut … Knochen. Sie wissen, was er damit tun kann, wenn er die Gelegenheit dazu hat?«
»Was für einen Vorsprung hat er?«, wollte Moreno wissen.
Granvier sah auf die Uhr. »Wir sind vor zwanzig Minuten ins Haus gekommen. Nun … nicht viel mehr als fünfundzwanzig Minuten.«
»Ich brauche ein sauberes Hemd.« Dann ging er durch die Küche, während Granvier nach einem suchte. Es war, als würde er sich selbst antreiben, als würde eine langsamere Gangart einer Kapitulation gleichkommen. Er murmelte etwas vor sich hin, ob er zu sich selbst, zu Justin oder zu Mama Charity sprach, war völlig unklar. »Warum sind sie überhaupt hergekommen, wegen des Kerls, der im Tempel ist? Sie sind nicht wegen uns gekommen, nicht nur drei Kerle mit Pistolen, die hatten nicht mit einer Schießerei gerechnet. Es ging nicht um uns. Es ging nicht um uns.«
Er sah auf seine Uhr und blickte dann aus dem Fenster, das auf den Hinterhof hinausging, das Schlachtfeld. »Haben Sie in der Nähe Nachbarn, die die Polizei rufen könnten?«
Mama wirkte unsicher. »Nah genug, dass sie es hören konnten. Aber vielleicht nicht nah genug, um sicher zu sein, wo der Lärm herkam.«
»Da draußen liegen zwei Leichen. Wenn die heute Nacht gefunden werden, dann kriegen Sie allerhand Probleme, die Sie nicht haben wollen.«
»Wir versenken sie im See.« Justin erhob sich; ihm war alles willkommen, was ihn von April ablenken konnte, wenn es auch nur kurzfristig war. »Das habe ich schon mal gemacht.«
Granvier kam mit einem rot karierten Flanellhemd zurück und half Moreno, es anzuziehen, der bei jeder Bewegung seines linken Arms das Gesicht verzog und die Zähne bleckte.
»Das gehörte meinem letzten Ehemann«, meinte Mama Charity.
»Zumindest war er größer als ich.«
Er zog seine Bomberjacke über und sah trotz all des Schadens erstaunlich intakt aus. Zumindest, so lange man ihm nicht zu tief in die Augen sah. Er hielt so viel zurück …
Und Justin wusste, dass er ihn nie wiedersehen würde. Ein Rennen gegen die Zeit und die Sterblichkeit war eine Aufgabe für einen Narren. Vielleicht war Moreno auch einfach zu stolz, um hilflos vor ihren Augen zu sterben.
Er war auf jeden Fall zu stolz für den Abschied, den er verdient hatte.
Angezogen, bereit zum Aufbruch, die Schlüssel in der Hand und in seinem Gürtel die nachgeladene SIG Sauer, für die ihm Granvier ein neues Magazin aus dem Wagen geholt hatte.
Seine Reflexe waren noch immer erstaunlich schnell. Moreno war der Erste, der sich zur Hintertür umdrehte, als sich der Griff bewegte, er hielt die Waffe in der verbundenen rechten Hand und senkte sie erst, als ihm Mama Charity sagte, dass alles in Ordnung sei.
Napolean Trintignant stand im Türrahmen, und seine Augen waren trübe vor einer aufgezwungenen Transzendenz.
»Macandal«, sagte Napolean. »Er sagt, ich sollte ihn vielleicht vor der Zeit verlassen. Soll ich ihm widersprechen?«
28
V ERBRENNUNG
Neben den offensichtlichen Regeln hatte Moreno nur noch eine weitere in Bezug auf seine Klienten aufgestellt, die selbst dann galt, wenn er umsonst für einen alten Freund arbeitete: Sie durften ihn bluten, aber niemals schwitzen sehen. Schweiß ließ ihre Zuversicht schwinden.
Und für Tränen war überhaupt kein
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