Totenstadt

einem Jagdrevier aufhielten.
    Er steckte die SIG wieder in seinen Gürtel und rannte durch die Türen in das Charbonneau’s, dabei ließ er die Heckler & Koch nach vorne schwingen, die er bis dato auf dem Rücken getragen hatte. Jetzt war er voll da und glitt an der Wand entlang. Offenbar war niemand hier, nur ein sehr überraschter Oberkellner im Smoking, dem die Kinnlade auf die Brust fiel. Moreno starrte ihn an und zeigte dann auf den Ausgang.
    »Schwing deinen Arsch hier raus, und zwar sofort.«
    Moreno ging an ihm vorbei in den großen Speisesaal, wo er auf sich aufmerksam machte, indem er eine Salve in die Decke feuerte. Besteck fiel zu Boden, Stimmen wurden lauter, und überall brach das Chaos aus. Er ging mittendurch, schrie »Raus! Raus! Verschwindet!« und schoss dabei immer mal wieder in die Decke, sodass die Anwesenden seiner Aufforderung nur zu gern nachkamen.
    Er bezweifelte, dass Forrests Leute mit so einem Auftritt gerechnet hatten, aber er wollte ein Spektakel provozieren, ein Pandämonium, und vor allem wollte er erreichen, dass alle Unschuldigen das Gebäude verließen. Als ein weiteres Paar Soldaten die Deckung verließ, während sich der Speisesaal leerte, kümmerte sich Moreno auch um sie; es war ein brutaler Anschauungsunterricht für alle anderen, dass dieser verrückte Mann es verdammt ernst meinte.
    Vom Albino war nichts zu sehen, und als der Menschenschwarm langsam aus dem Restaurant auf die Straße quoll, spürte Moreno, wie sich seine Nerven anspannten, als warte er darauf, dass eine Bombe detoniert. Er wurde schneller, riss das erste leere Magazin heraus und ließ es in einen Sektkühler fallen. Dann ersetzte er es, ließ die erste Kugel in die Kammer gleiten und ging durch den Hauptgang auf die Küche zu. Dort traf er auf weitere Menschen, die sich ängstlich auf den Boden kauerten – Köche, Kellnerinnern und einige Essensgäste –, und er jagte sie alle nach vorn.
    Er ließ sich einen Augenblick gegen die Wand sinken. Wie lange würde es dauern, bis die Polizei eintraf? Er runzelte die Stirn. An seiner Seite konnte er erneut Feuchtigkeit spüren; das Blut sickerte aus der Wunde in seine Hose. Vielleicht hatte er aber auch eine neue dazubekommen. Manchmal war man so in etwas vertieft, dass man alles andere vergaß.
    Moreno setzte sich wieder in Bewegung und kämpfte sich durch die Gänge, da er sicherstellen wollte, dass sich in den Lager- und Küchenräumen niemand mehr aufhielt. Dann hielt er kurz an, um die Öfen zu überprüfen. Gas – oh, hallo. Er schaltete sie aus, und als die letzte Flamme erloschen war, löschte er auch die Dauerflamme mit einem Topf voll Wasser.
    Er schaltete das Gas wieder ein und ließ es hinter sich zischen, während er sich auf dem Weg zu den Treppen machte. Die Waffe vor sich, glitt er an der inneren Wand entlang hinauf, und nun atmete er wirklich schwer. Rote Wände, rote Treppen, es war, als würde er einem anderen Menschen die Kehle hinaufkriechen, beeil dich, schließlich ging es hier um sein Leben.
    Zweiter Stock. Büroräume, lauter Schreibtische, Computerterminals und Aktenschränke. Alles, was man brauchte, um den Schein eines legitimen Unternehmens zu wahren, und Moreno rannte weiter die Treppe hinauf …
    Dritter Stock. Wohnräume, ebenso leer, ein Fernseher lief für ein nicht vorhandenes Publikum. Würde er noch einen warmen Fleck spüren können, wenn er das Sofa berührte? Zweifellos. Moreno eilte von einem Raum in den nächsten und feuerte durch jede Schranktür, nur um ganz sicher zu gehen. Er war schweißgebadet, und mit jeder verstreichenden Sekunde konnte er spüren, wie sich die Schlinge um seinen Hals enger zuzog.
    Er rannte die Treppe wieder hinunter. Wie ordentlich Nathan Forrest sein Leben organisiert hatte. Aufeinander geschichtete Lagen seines Lebens, des öffentlichen und des im Verborgenen, zusammen in einer öffentlichen Festung vereint, als ob ihn das irgendwie schützen könne. Aber wie leicht würde es jemandem zum Opfer fallen, der nichts mehr zu verlieren hatte.
    Moreno begab sich in den letzten Bereich, den er noch erkunden musste. Hinter weiteren Türen lag der Garagenbereich. Ein sauberer Betonfußboden und grelle Deckenlampen, die sich auf dem Lack eines halben Dutzend Autos widerspiegelten.
    Er nahm eine der Granaten aus seinem Gürtel, zog den Pin heraus und rollte sie unter den nächsten Wagen; dann knallte er die Tür zu und rannte den Gang entlang. Offenbar war es eine sehr solide Tür, denn sie hielt Stand.