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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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»Der Marassa, der Zwilling. In Zwillingen ist eine starke Magie, sagt man.«
    »Glaubst du daran?«
    »Es ist nicht wichtig, was ich glaube, wichtig ist nur, was die anderen glauben. Ich wollte ihn nicht wecken und durch die Gegend schleifen, wenn der Rest von ihnen es sehen oder hören kann. Denn man weiß nie, was er machen wird. Wenn Mr Andrew sieht, dass ein Mensch Angst hat, dann manipuliert er vielleicht seine Gedanken und macht dann beim nächsten weiter und beim übernächsten. Dann kann es schnell passieren, dass wir uns untereinander bekämpfen, nur weil uns dieser schaurige Zwilling sagt, was wir tun sollen.«
    Es war nun zu dunkel zum rennen, und sie mussten langsam gehen.
    »Er hat es schon versucht«, meinte Bertin. »Du hättest ihn vor zwei Tagen sehen sollen, als Mrs Evelyn gegangen ist. Als er sie geschlagen hat. Es war, als wäre etwas in ihm zerbrochen und ein neuer Mann sei ans Licht gekommen. Selbst als dieser komische weiße Mann – der weiße weiße Mann – selbst den hat Mr Andrew bezwungen. Dabei hatte er nicht mal eine Waffe, und der weiße Mann hatte eine.«
    Napolean hielt an und dachte darüber nach. Er hatte sich einem bewaffneten Mann in den Weg gestellt? Das klang ganz und gar nicht nach Mr Andrew. Im Geschäftsleben besaß er Mut, allerdings. Aber das? Es kam ihm immer klüger vor, dass er zuerst die anderen zum Bus gebracht hatte.
    Zurück in Twin Oaks gingen Bertin und er durch dieselbe Tür am Pool, und das Haus verschluckte sie. Die Gänge lagen im gedämpften Licht und waren ihnen noch nie so ruhig oder so leer vorgekommen. Sie machten einen kurzen Zwischenstopp in der Küche, am Messerblock.
    Als sie die Küche verließen, stießen sie auf die schlafenden Wachen, die auf Stühlen oder am Boden zusammengesunken waren und mit seltsamer Ruhe dort schlummerten. Zwei an der Vordertür. Einer im Esszimmer, ein weiterer im vorderen Salon. Der Letzte oben, auf dem Treppenabsatz des zweiten Stocks. Keiner von ihnen schnarchte. Die Tassen mit dem halb ausgetrunkenen Kaffee lagen herum wie die Überreste einer Party.
    Der Gang im zweiten Stock, sie entspannten sich ein wenig, und ihre Schritte klangen so leise wie die einer Katze. An den Wänden hingen winzige Glühbirnen aus gefrostetem Glas in Messingleuchtern und erzeugten ein schwaches Licht.
    »Ich gehe zum Bett«, flüsterte Napolean. »Bleib du an der Tür und schalte das Licht ein, wenn ich es sage.«
    Sie hielten vor dem Hauptschlafzimmer, seine Hand berührte den Türknauf, und sein Herz schlug sehr, sehr oft, bis er begann, ihn sehr langsam zu drehen. Er knirschte mit den Zähnen, als das Metall leise klickte, und Bertin schloss die Augen zu einem stummen Gebet …
    Mit leichtem Druck öffnete er die Tür, und ein heller Lichtschein fiel in das dunkle Zimmer; er öffnete sie nur so weit, dass sie beide hineinschlüpfen konnten, und jeder Schritt war wohlüberlegt.
    Das Bett.
    Es war größer geworden, und als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, erkannte er, dass sie die beiden Einzelbetten zusammengeschoben hatten und nun darin schliefen. Mr Andrew lag näher an der Tür, und auf der anderen Seite, am Fenster, schlief Clarisse. Sie war gerade so als Umriss zu erkennen, der auf der Seite lag; er hatte sie, seit sie Kinder waren, nicht mehr schlafend gesehen.
    Napolean sah auf die vom Mondlicht gesprenkelte Kaskade ihrer Haare auf dem Kissen und fragte sich, ob Mr Andrew wohl gern seine Hände hindurchgleiten ließ oder ob diese wilde Schönheit keinen Reiz für ihn besaß. Beides würde seinen Hass auf diesen Mann nur noch weiter steigern. Diesen Dieb.
    Napolean kniete sich neben das Bett, und Mr Andrews Atem war nur noch Zentimeter entfernt. Es roch übel hier drin, ein fauler Luftzug unter den leichten Düften, die Mrs Evelyn zurückgelassen hatte und die mit der Zeit verschwinden würden.
    »Licht«, flüsterte er.
    Es ging mit der erschreckenden Helligkeit einer Explosion an, und seine Hand schloss sich über Mr Andrews Mund, als dieser zu zucken begann. Mullaveys Augen flatterten nervös, als Napolean die langen, schweren Zinken einer Fleischgabel gegen seine wabblige Brust drückte.
    »Hey, Boss«, sagte Napolean. »Keine Bewegung.«
    Er war jetzt vollständig wach und starrte ihn zornig an, sein Blick wanderte von Napoleans Gesicht hinüber zu Bertin an der Tür und dann wieder zurück. Hinter der Hand stieß er ein leises Grunzen aus.
    Clarisse wurde ebenfalls langsam wach; sie rollte sich mit schläfrigen

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