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Totenstadt

Totenstadt

Titel: Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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anderes als sein Stolz geblieben war.
    »Bertin«, sagte Napolean und zeigte mit der linken Hand auf sie. »Wenn es nicht anders geht, dann heb sie auf und trag sie, aber ich werde sie nicht hier bei ihm lassen.«
    Bertin protestierte hinter ihm: »Sie will nicht gehen, Mann, kannst du das nicht sehen …«
    »Tu es!«, schrie er, und seine Stimme klang nicht mehr wie seine eigene, er hätte sie nie so zornig erheben können. Macandal war in ihm, das fiel jedem in diesem Raum sofort auf.
    Bertin rannte um ihn herum und hielt dabei ein langes Brotmesser aus der Küche in der Hand. Er ging auf die andere Seite des Bettes, und Clarisse drückte sich gegen den Frisiertisch, als Bertin eine Hand nach ihr ausstreckte, sie bat, sie anflehte, mitzukommen …
    Napolean hätte nie gedacht, dass sie solche Angst hatte, dieses Leben, das sie durch Zufall führen konnte, aufzugeben und das Risiko einzugehen, wieder in Armut leben zu müssen. Er wusste nur, was er sah: Clarisse, die ein Steakmesser aus den Überresten des intimen Mahls auf dem Frisiertisch zog und schrie, während sie es in Bertins Brust stieß. Bis zum Griff.
    Das Brotmesser fiel zu Boden und Bertins Kopf schnellte in Richtung der Wunde, seine Augen traten hervor und seine Hände waren schon mit Blut bedeckt. Er taumelte. Er keuchte. Er fiel.
    Napolean schrie, grell und laut, wo war Macandal jetzt? Eine Bewegung im Augenwinkel …
    Mr Andrew beugte sich über den Nachttisch neben dem Bett. Wie gelassen er war, er machte keine Bewegung zu viel, als er die Pistole aus der Schublade zog und dann mit nackten Füßen da stand, seinen Bauch im Hemd versteckt, und kein Zögern war in seinen Augen zu erkennen.
    Napolean wirbelte zur Tür, hörte den Schuss, spürte vielleicht einen leisen Lufthauch an seiner Schulter, und dann rannte er auch schon schnell wie eine Gazelle den Gang entlang. Hinter ihm hörte er den Knall eines weiteren Schusses, dann eine Atempause.
    Er dachte kurz an den schlafenden Wachmann auf dem Treppenabsatz, der bestimmt eine Waffe in der Tasche hatte – aber nein, Waffen waren ihm fremd, und jetzt war nicht die Zeit, eine neue Fähigkeit zu testen. Er warf sich auf das Geländer und rutschte daran hinunter zum ersten Stock.
    Über ihm hörte er schnelle Schritte und Mr Andrews Atem. Die Grabesstille des Hauses wurde von Clarisses Schreien durchbrochen. Napolean konnte nur hoffen, dass sie aus Reue schrie, aber er musste zugeben, dass er sich da nicht sicher war.
    Er folgte einem Weg, der allein von der Panik bestimmt wurde, während die Schritte hinter ihm immer leiser wurden und schließlich ganz verstummten. Er rannte zu einer Veranda, die mit Moskitonetzen verhängt war, dann preschte er durch die Tür und war endlich aus dem Haus. In der frischen Luft rannen ihm die Tränen die Wange hinunter, als er über den hinteren Rasen lief. Das manikürte Grün war nun bei Nacht ganz schwarz, vage Schatten flogen vorbei, und die weiße Terrasse kam zu seiner Rechten ins Blickfeld …
    Auf einmal erwachte jede Farbe zu einem erschreckend neuen Leben, und da war er, mittendrin. Der Hauptschalter im Haus war umgelegt worden, und die Nacht hatte ein Ende gefunden. Lichter strahlten von Bäumen, von den Hauswänden … und es gab keinen Schatten, der groß und tief genug für ihn gewesen wäre.
    Wenn er doch nur schneller laufen könnte. Die Wand war so nah, dass er jeden Riss sehen konnte, die Baumgrenze schon so dicht, dass die Maserung deutlich zu erkennen war, sowie die Adern in jedem Blatt. Aus einiger Entfernung konnte er das Quietschen einer Tür hören; Mr Andrews Arbeitszimmer, er hatte diesen Klang schon an so vielen Tagen vernommen, die zu schön waren, um sie im Haus zu verbringen, manchmal musste man sie einfach weit aufmachen und die gute Luft hineinlassen …
    Er spürte es, bevor er den Knall hörte: einen Schlag, so hart, als hätte ihn ein Knüppel getroffen. Er traf ihn am Rumpf, an der rechten Pobacke, ging durch die Gesäßtasche hinein und trat vorn wieder aus. Er fiel mit dem Gesicht nach unten zu Boden, seine Arme und Beine ruderten durch die Luft, und der Schuss hallte über den Rasen. Es war keine Pistole, das musste eines der Jagdgewehre gewesen sein, die im Arbeitszimmer an der Wand hingen.
    Aber noch kein Schmerz; Napolean begann zu hoffen, dass es nur ein Streifschuss gewesen war. Aber als er zu kriechen versuchte, begriff er es.
    Er rollte sich auf den Rücken und sah an sich herunter, da setzte der pochende Schmerz ein.
    Er

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