Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
Vom Netzwerk:
Sie mich einen Zyniker, aber ich würde sagen, dass ein, zwei Leben mehr keinen großen Unterschied machen würden.«
    »Aber?« Sie wusste, dass es ein Aber gab und dass der Enthusiasmus, der in seinen Augen noch brannte, nicht so leicht verschwinden würde.
    »Ihre Methoden sind nicht sehr konventionell, nicht wahr?« McAvoys müdes Gesicht entspannte sich zu einem faltigen Lächeln. »Meine Schulter schmerzt derartig, dass ich heute kaum ein Glas anheben konnte.«
    Jenny blieb ungerührt. »Das war fürs Lügen. Und wo wir schon einmal dabei sind, ich denke, dass Sie es noch immer tun.«
    Eine Pause trat ein. McAvoy senkte den Kopf. »Es ist schon lustig, Jenny. Ich habe Karriere damit gemacht, im Auftrag anderer Leute Lügen zu erzählen. Die größeren Sünder waren immer die auf der anderen Seite. Sogar als man mich rangekriegt und weggesperrt hat, war die Rechtschaffenheit immer noch auf meiner Seite. Dieser Fall aber … Ich habe Gerichtsverfahren manipuliert, ich habe Zeugen gekauft und verkauft, ich habe Mörder rausgeholt und mit gutem Gewissen auf ihre Gesundheit getrunken, aber dieser verdammte Fall …« Er schüttelte den Kopf und schaute weg. »Und dann tauchen Sie auf wie der Engel der Leidenschaft … wie eine Zauberin … Wie soll ein ausgebrannter Typ wie ich wohl darauf reagieren?«
    Jenny taumelte innerlich. Sämtliche Luft wich aus ihrer Lunge. Etwas in ihr wünschte, er möge sie berühren, nur den geringsten Kontakt herstellen, um dann anschließend alles geschehen zu lassen.
    Sie wusste, dass er ihre Veränderung bemerkte, sie war ihr ins Gesicht geschrieben.
    »Sie sind eine Versuchung, das sind Sie«, sagte McAvoy. »Eine schöne, süße Versuchung und so dunkel und verrucht wie ich. Ich kann nicht einmal Ihre Hand berühren, weil ich Angst habe …«
    »Wovor?«, fragte Jenny.
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Lassen Sie uns von etwas anderem sprechen.« Er schluckte und zwang sich weiterzureden. »Dr. Sarah Levin – sie ist eine attraktive Frau, nicht wahr? Damals war sie achtzehn. Man hätte sie mit Sicherheit befragt. Wohin auch immer Nazim und Rafi gegangen sind, man hätte die beiden verhört und das halbe Leben aus ihnen herausgeprügelt. Es ist kein Zufall, dass es Sarah Levin war, die mit der Polizei gesprochen hat. Sie hatte keine andere Wahl. Das habe ich mir schon vor acht Jahren gedacht. Aber muss die Wahrheit jetzt noch ans Licht gezerrt werden? Muss diese Frau auch noch zerstört werden? Wie viel Schaden muss denn noch angerichtet werden?«
    »Und warum würde Dr. Levin Ihr Gewissen belasten?«
    »Sie war ein unschuldiges junges Mädchen, warum also nicht?«
    »Könnte es sein, dass Sie sie idealisieren?«
    »Verglichen mit mir ist sie die Heilige Jungfrau persönlich.«
    »Was ist mit dem Mann, der Sie angerufen hat, diesem Amerikaner?«, fragte Jenny.
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass derjenige, der die beiden Jungen mitgenommen hat, auch Mrs. Jamal in den Tod getrieben hat. Selbst wenn er sie nicht eigenhändig umgebracht hat.«
    »Sie kennen noch nicht die ganze Wahrheit«, sagte Jenny und spürte einen irrationalen Drang, ihre Last mit ihm zu teilen. »In ihrer Wohnung wurden Spuren radioaktiven Materials gefunden. Cäsium 137.« Schon als die Worte heraus waren, wusste sie, dass sie zu viel gesagt hatte. Sie konnte sich gerade noch beherrschen, nicht auch noch Anna Rose zu erwähnen.
    »Es sollte nach Terroristen aussehen«, sagte McAvoy. »Diese dreckigen Schweinehunde. Normale Kriminelle bringen wenigstens nur sich selbst um. Im Gefängnis würden Sie niemanden finden, der einer alten Frau etwas antut. Nurgottlose Regierungen und verrückte Mütter können die Seele eines Mannes derart ruinieren, dass er so etwas tut.«
    Jenny entfuhr ein Laut, der fast wie ein Lachen klang.
    »Was ist?«, fragte McAvoy.
    »Wie Sie reden …«
    »Was machen Sie sich denn für einen Reim auf die Dinge?«
    »Gar keinen.«
    »Sie sollten es mal mit Lyrik oder Religion versuchen, oder besser noch mit beidem. Sie machen auf mich ganz den Eindruck, als könnte Ihnen das helfen.«
    »Als ich ins Gericht gekommen bin, wollte ich Sie nicht angreifen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist.«
    »Die Frage kann ich Ihnen auch nicht beantworten …«
    Das sanfte Lächeln, das Verlangen in den Augen. Das vom Leben gezeichnete Gesicht, das einen Geist verbarg, der sie längst in ihrem Inneren berührt hatte, der Dinge über sie wusste, die ihr selbst fremd waren.
    »Sagen Sie mir, dass Sie

Weitere Kostenlose Bücher