Totenstätte
erkannte, und entdeckte etwas Kindliches, fast Verspieltes in seinem Gesicht, als er beobachtete, wie die Möwe das Brot in ihre Krallen nahm und mit dem Schnabel daran herumzerrte.
»Dad, ich muss dich etwas fragen. Ich habe versucht, mich an ein paar Dinge zu erinnern – aus der Zeit, als ich klein war. Ich dachte, es wäre vielleicht schön, wenn man sie für Ross aufschreiben und ein paar Fotos dazukleben könnte. Dann kann er das vielleicht später mal seinen Kindern zeigen.«
Brian nickte, als würde er sie bestens verstehen.
Sie griff in ihre Handtasche und zog ein paar alte Polaroidaufnahmen hervor, die sie in einer Schuhschachtel gefunden hatte. Sie zeigte ihm die Fotos: Bilder von ihr im Alter von vier, fünf Jahren auf einer Schaukel im Garten ihres Hauses. Ihr Vater, der ihr lächelnd Schwung gab, in der Hand eine Zigarette.
»Ich weiß noch, wie du die Schaukel aufgestellt hast. Das war ein Geburtstagsgeschenk, nicht wahr?«
»Ja, das war dein Geburtstag. Du hast immer gelächelt. Eine kleine Prinzessin. Schau doch.« Er nahm das Bild und starrte es an.
Jenny wurde von Begeisterung gepackt. »Du kannst dich daran erinnern?«
»Das war das Kleid, das meine Mutter für dich genähthat. Sie sagte, sie habe ewig daran gesessen und sich die Augen ruiniert.«
Diese Sätze hatte sie schon tausendmal gehört, aber jetzt waren sie von den Bildern ausgelöst worden. Er hatte sie nicht zufällig dahergeredet wie das meiste des wenigen, das er sonst von sich gab. Sie musste seine geistige Klarheit ausnutzen.
»Mist, ich muss vergessen haben, es einzupacken. Ich habe ein Foto, auf dessen Rückseite jemand Katy geschrieben hat. Ich wusste nicht, wer das sein …«
»Deine Cousine Katy?«
Cousine? Jenny wusste nur von drei Cousins, alles Jungen.
»Katy ist meine Cousine? Bist du dir sicher?«
»Die Kleine von Jim und Penny.«
Jim und Penny waren Brians Bruder und seine Frau. Sie hatten nur ein einziges Kind, einen Sohn, der zehn Jahre jünger war als sie selbst.
»Das kann nicht stimmen, Dad.«
Brian ließ das Foto auf den Boden fallen. »Bevor man nicht wenigstens halb verdurstet ist, bekommt man hier keinen Tee.«
Jenny hob das Foto auf. »Ich kann mich an keine Katy erinnern. Jim und Penny haben doch nur Christopher, oder?«
»Schleimiger Bastard, immer in Anzug und Krawatte. Deine Mutter dachte, er hat Geld. Ha!«
Noch mehr bekannte, dieses Mal aber aus dem Zusammenhang gerissene Sätze – ihr Vater meinte den Immobilienmakler, mit dem Jennys Mutter durchgebrannt war.
»Ich spreche nicht von Mum«, sagte Jenny. »Was ist aus meiner Cousine Katy geworden?«
Eine zweite Möwe landete auf dem Fensterbrett und schnappte sich den Brötchenrest aus dem Schnabel der anderen. Brian kicherte.
»Dad, es ist wichtig. Ich muss es wissen.«
Sein Blick verlor sich, seine Augen schienen sich einzutrüben.
»Dad, bitte.«
Sie nahm seinen Arm und schüttelte ihn. Er zog ihn fort. Die Muskeln in seinem Unterarm waren hart wie Eisen.
»Das weißt du doch, kleine, lächelnde Prinzessin«, sagte er. »Du hast sie getötet.«
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Dank
Es ist ein rein spekulativer Akt, ein erstes Buch zu schreiben. Was soll’s, sagt man sich vorher, wenn es nichts wird, dann habe ich es jedenfalls versucht. Ein zweites Buch zu schreiben, bei dem man einen Abgabetermin einhalten und erwartungsvollen Mitmenschen irgendwann ein Manuskript präsentieren muss, ist ein vollkommen anderes Unterfangen. Glücklicherweise waren mir besagte Mitmenschen eine große Hilfe. Besonderen Dank an Greg Hunt, meinen Drehbuchagenten, der mich in seiner direkten Art dazu gedrängt hat, Romane zu schreiben, weil »dich niemand ernst nimmt, solange du kein Buch vorweisen kannst«, und auch an Zoë Waldie, meine Literaturagentin, die mir nichts als goldrichtige Ratschläge gegeben hat. Ebenfalls riesigen Dank an Maria Rejt, die viele seltene Talente hat, darunter auch jenes, ihre große Weisheit auf die bescheidenste und respektvollste Weise weiterzugeben. Der Dank schließt ihr freundliches und hoch professionelles Team mit ein.
Ich möchte auch gerne den anderen Kreativen in meiner großen, bunten Familie danken. Sie alle haben mich bedingungslos unterstützt. Meine Mutter und mein Stiefvater, beide Schriftsteller, verstehen nur zu gut, was es bedeutet, sich stets von Neuem an die einsame Aufgabe zu machen, Wort an Wort zu reihen. Mein Vater wiederum, ein Musiker, ist der wandelnde Beweis dafür, dass auf den Schultern eines
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