Totenstätte
Spielchen, Cooper? Die Antiterrorabteilung, der MI5 und alle Uniformierten sind unterwegs, um nach Anna Rose Crosby zu suchen. Vielleicht treibt sich da draußen irgendwo jemand herum, der gerade eine schmutzige Bombe gebastelt hat.«
»Auf die Idee bin ich auch schon gekommen.«
»Wenn Sie mir Informationen vorenthalten …«
»Ich schlage Ihnen einen Deal vor. Wer auch immer Anna Rose zuerst findet – wir werden beide mit ihr reden.«
»Glauben Sie etwa, dass Sie oder ich in ihre Nähe gelassen werden? Sie sind noch naiver, als ich gedacht hatte.«
»Ich merke, dass Sie Gewissensbisse haben, Mr. Pironi«, sagte Jenny. »Aber wenn Sie nicht acht Jahre lang keinen Finger gerührt hätten, könnte Mrs. Jamal noch leben und Anna Rose noch Partys feiern. Warum tun Sie nicht das einzig Angemessene und sehen zu, dass wir beide bekommen, was wir wollen?«
Eine kurze Pause trat ein, dann sagte Pironi: »Ich habe den begründeten Verdacht, dass Sie Informationen über terroristische Aktivitäten zurückgehalten haben. Ich empfehle Ihnen, zur nächsten Polizeiwache zu gehen und sich zu stellen.«
»Hat man Ihnen eingeflüstert, mir das zu raten?«, fragte Jenny. »Waren es dieselben Leute, die wollten, dass Sie McAvoy etwas anhängen?«
»Sie haben gehört, was ich gesagt habe.«
»Sie sollten noch einmal darüber nachdenken, für wen Sie arbeiten. Ich bin mir nicht sicher, dass es damit getan ist, in die Kirche zu gehen.«
Jenny hatte die Gegend erreicht, in der Anna Rose ihre Nachrichten abgerufen hatte. Verrußt und von den Laternen in ein trübes, orangefarbenes Licht getaucht harrten die viktorianischen Gebäude der Harlowe Road im Schneeregen aus. Langsam fuhr Jenny an geschlossenen Billigläden, verschiedenen heruntergekommenen Pubs und einem schäbigen Imbiss vorbei. Dann parkte sie in einer Seitenstraße und eilte, den Mantel über den Kopf gezogen, zu dem Imbiss zurück.
Ein älterer Indopakistaner mit fingerlosen Handschuhen und zwei übereinandergezogenen Strickjacken sah einen Bollywoodfilm in einem winzigen Fernseher, der in fragilem Gleichgewicht auf einem Zigarettenregal balancierte. Jenny wühlte in ihrer Tasche herum und holte eine zerknickte Visitenkarte hervor. Dann stellte sie sich vor und erklärte, dass sie nach einer attraktiven jungen Frau suche, die möglicherweise in letzter Zeit in den Laden gekommen sein könnte.
Der alte Mann kniff die Augen zusammen und studierte die vom Regen durchgeweichte Visitenkarte. Jenny schenkte ihm ein freundliches Lächeln, wohl wissend, dass viele Indopakistaner dem Amt des Coroners mit tief verwurzeltem Misstrauen gegenüberstanden. Überzeugte Hinduisten und viele Muslime lehnten Obduktionen ab.
»Sie ist möglicherweise eine Zeugin«, sagte Jenny. »Eine junge Frau, Anfang zwanzig, kurze blonde Haare, intelligent, sehr hübsch – sie wäre Ihnen in jedem Fall aufgefallen.«
Der Mann zog die Mundwinkel herunter und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, dass sie gestern noch hier unterwegs war«, sagte Jenny. »Sie könnte ängstlich gewirkt haben, scheu.«
Die Beschreibung schien seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. »Englisches Mädchen?«
»Ja. Haben Sie sie gesehen?«
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht. Dahinten gibt es mehrere Pensionen.« Er zeigte mit dem Daumen in Richtung Osten. »Viele junge Leute wohnen dort. Vor allem Ausländer.«
Er gab ihr die Karte zurück.
»Danke. Sie waren sehr freundlich.«
Er runzelte die Stirn, hustete rasselnd und wandte sich dann wieder seinem Fernseher zu.
Das erste B&B auf ihrem Weg war das Metropole, eine umgebaute viktorianische Villa mit bröckelnder Fassade und einer einzelnen Glühbirne im Windfang. Jenny trat an die Rezeption, hinter der eine schlanke und für ihr Alter zu faltige Frau saß, und beschrieb ihr Anna Rose. Die Frau schaute sie gelangweilt an, bevor sie mit einem schweren osteuropäischen Akzent erklärte, dass in dem Hotel vorwiegend ausländische Arbeiter wohnten. Jetzt bemerkte Jenny auch, dass die laminierten Hinweisschilder an der Wand hinter dem Tresen größtenteils in Polnisch geschrieben waren. Das Metropole war eine billige Arbeiterabsteige, nichts für Leute wie Anna Rose.
Eiskaltes Wasser drang in ihre Schuhe, als sie sich einen Weg durch den aggressiven Verkehr bahnte, um auf der anderen Straßenseite die Stufen zum Hotel Windsor zu erklimmen. Das Etablissement wollte wohl etwas Besseres sein als seine Nachbarn, doch das klägliche Bemühen darum ließ es
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