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Totenstätte

Totenstätte

Titel: Totenstätte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. R. Hall
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gefragt habe, ob Anna Rose irgendwie an radioaktives Material hätte kommen können.«
    »Ja. Worum ging es bei der Frage?«
    »Das ist eine lange Geschichte, aber in einer Wohnung in Bristol sind Spuren von Cäsium 137 aufgetaucht.« Sie erzählte kurz von Mrs. Jamals Bemühungen, eine Untersuchung zu erwirken, und über ihren plötzlichen gewaltsamen Tod. »Es sieht so aus, als wäre das Cäsium durch jemanden in die Wohnung gelangt, an dessen Körper es bereits haftete.«
    »Aber Anna Rose hat die gesamte Zeit im Büro verbracht. Sie hätte gar nicht die Möglichkeit gehabt, in die Nähe von gefährlichen Substanzen zu gelangen.«
    »Sind Sie sich da ganz sicher?«
    »Vollkommen.«
    »Sie klingen wütend. Warum ärgert Sie meine Frage?«
    »Ich weiß es nicht genau …«
    »Doch, Sie wissen es.«
    Er schaute auf den hässlichen Teppich. »Bei all den Sicherheitsvorkehrungen ist so etwas absolut unmöglich. Aber sie war so …« Er unterbrach sich, wollte den Satz offenbar nicht beenden.
    »So was?«
    »So … unschuldig, könnte man vielleicht sagen. Jeder Kollege fand sie toll. Man konnte sich ihr nicht entziehen.«
    »Wollen Sie sagen, dass sie auf die Flirts eingegangen ist?«
    »Gelegentlich.«
    Jennys Verstand rotierte. Sie versuchte zu formulieren, was Mike nicht über die Lippen kam. »Haben Sie Angst, dass man Anna Rose zu irgendetwas überredet hat? Oder dass sie benutzt wurde?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Natürlich habe ich mir meine Gedanken gemacht. Ganz ehrlich: Ich habe über nicht viel anderes nachgedacht.«
    »Irgendwelche Theorien?«
    »Ich hatte gehofft, dass sie mich anruft. Sie hat gesagt, sie liebt mich. Es klang ehrlich.«
    »Glauben Sie, dass sie noch lebt?«
    Er zögerte eine Weile, dann sagte er: »Sie hat Nachrichten abgehört, oder zumindest hat es jemand mit ihrem Handy getan. Ich wollte es der Polizei sagen, aber vorher noch mit ihr sprechen.«
    »Wissen ihre Eltern das?«
    Eine Pause, dann Kopfschütteln.
    »Kann ich die Nummer haben?« Sie kramte in ihrer Tasche nach ihrem Adressbüchlein. »Wer hat sie sonst noch?«
    »Ich weiß nicht. Das Handy läuft über meinen Vertrag, damit wir immer miteinander telefonieren können.«
    Sie gab ihm den Stift und sah zu, wie er in sorgfältiger Handschrift die Ziffern notierte. Er war ein zuverlässiger Typ, nicht schlecht aussehend, aber auch kein Hauptgewinn.Er könnte aus einer Familie von Lehrern oder Beamten stammen, aus geordneten Verhältnissen. Man konnte nachvollziehen, warum sich Anna Rose zu ihm hingezogen fühlte, er bot ihr Sicherheit, aber so wie er sie beschrieben hatte, würde sie nicht lange bei ihm bleiben, und das wusste er auch. Er hatte sein Glück versucht und sogar Geld für ein zusätzliches Handy ausgegeben, aber jetzt war er gezwungen, seine Fantasien mit der Realität abzugleichen. Wo auch immer sie war, Anna Rose würde nicht zu ihm zurückkommen.
    Jenny betrachtete eine gerahmte Fotografie, die über dem Fernseher an der Wand hing: Mike im Laborkittel mit einem Glaspokal. »Doktorand des Jahres 2004« stand in goldenen Buchstaben auf dem Sockel. An der Brusttasche des Kittels war ein mittlerweile vertrauter Gegenstand festgeklemmt.
    »Sie haben nicht zufällig ein Dosimeter daheim?«, fragte Jenny.
    Als er fast panisch aufschaute, wusste sie, dass sie richtiggelegen hatte. Er war heute nicht bei der Arbeit gewesen. Der Muff, der in dem Raum hing, roch, als hätte ihn Mike schon länger nicht mehr verlassen.
    »Sie haben es bemerkt, bevor Sie heute Morgen loswollten«, sagte sie. »Der Mann gestern war kontaminiert … Und weil man die Strahlen an Ihnen geortet hätte, konnten Sie nicht zur Arbeit gehen. Dort stehen überall Strahlenmonitore herum, nicht wahr?«
    Er nickte stumm.
    »Wie schlimm ist es?«, fragte Jenny und spürte die Panik zurückkehren, die sie schon früher am Tag im Gerichtssaal empfunden hatte.
    »Zweihundert Millisievert. Es war in seinem Urin.«
    »Sollten wir uns überhaupt hier aufhalten?«
    »Hier unten ist es einigermaßen sicher, aber hochgehen würde ich nicht … Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Und Sie haben keine Idee, in welcher Verbindung dieser Mann mit Anna Rose stehen könnte?«, fragte sie.
    »Nein.«
    »Sie müssen die Polizei anrufen.«
    »Das hätte ich heute Morgen tun sollen.«
    »Sie haben nichts falsch gemacht. Es wird sich schon alles aufklären.« Sie versuchte zu lächeln. »Aber tun Sie mir bitte einen Gefallen – warten Sie eine Stunde, bevor Sie den Anruf

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