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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Journalisten müsst nur den Eindruck haben, eine Sache sei geheim. Und schon versucht ihr, das Geheimnis zu lüften, je grausiger, je abartiger, desto besser. Und je mehr es von offizieller Stelle bestritten wird, desto mehr sind alle überzeugt, dass was Wahres dran ist.«
    Ich begriff. »Sie haben uns Juri Katzenjacob hingeworfen. Sie haben ihn auf die Kalteneck-Liste gesetzt und ein Geheimnis daraus gemacht. Und die Edinburgh Evening News haben es zuerst gelüftet. Und nun werfen sich alle darauf, und Juri Katzenjacob ist in der Welt als der Böse, der Flugzeuge abstürzen lässt und Erdbeben verursacht.«
    Oiger Groschenkamp lächelte mit rotem Gesicht. Und weiß Gott, ich hätte nicht den Notarzt geholt, wenn er jetzt mit einem asthmatischen Anfall zusammengebrochen wäre.
    »Ist es so?«, hakte ich nach.
    »Das werde ich weder bestätigen noch dementieren. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Auch Sie werden der Wahrheit nie wirklich nahekommen. Aber was spielt das schon für eine Rolle, nicht wahr?« Er lachte röchelnd. »Der Mensch will keine Wahrheit, er will eine gute Geschichte, die er glauben kann.«
    »Und Sie wollen, dass wir glauben, alles Böse werde von einem armseligen Nekrophilen verursacht, der im Knast sitzt. Und niemand wird jemals das Gegenteil beweisen können. Eine Angst mehr in dieser Welt, an der Sie und Ihre Medien sich dumm und dämlich verdienen.«
    »Nun ja, dumm und dämlich bin ich schon, wenn Sie das so ausdrücken wollen.«
    »Wozu machen Sie es dann?«
    »Was mache ich denn?« Er blickte mich schlau an.
    »Geld verdienen.«
    »Sie meinen, wozu, wo ich doch mit einem Bein im Grab stehe. Das letzte Hemd hat keine Taschen.«
    »Aber das vorletzte schon«, sagte ich. »Man sollte halt nur eines haben, wo man auch was reintun kann.«
    »Ah, Brüder, zur Sonne, zur Freiheit! Jeder Mensch soll etwas Überflüssiges haben dürfen. Da bin ich bei Ihnen. Ich bin ein großer Freund der kleinen Leute.«
    »Ich weiß. Das ist Ihr Schafspelz.«
    »Meine liebe Frau Nerz, noch mal: Was tue ich denn? Was werfen Sie mir vor?«
    Wir wendeten am Ende des Rosenbeets. Es hatte keinen Sinn, darauf zu antworten, oder vielmehr, für mich war es zu kompliziert.
    »Oder andersherum«, stocherte er nach. »Was sollte ich Ihrer Meinung nach jetzt tun, um das zu verhindern, was Sie befürchten?«
    »Verbieten Sie den Medien, die Sie besitzen, dass sie Detektive beauftragen, illegal Daten zu beschaffen.«
    »Das habe ich nie erlaubt. Oder anders gesagt: Es hat mich niemand gefragt.«
    »Verbieten Sie, dass die Journalisten an Informanten Geld bezahlen! Insbesondere an die Polizei.«
    Er lachte. »Auch das habe ich mir nicht ausgedacht. Und wollen Sie wirklich, dass die vierte Gewalt im Staat weniger Mittel einsetzen darf, um an Informationen zu gelangen, als die Polizei, ja als der Staat selbst? Der Staat zahlt Anbietern von Daten schnell mal einige Millionen, wenn er vermutet, damit an Steuerhinterzieher heranzukommen.«
    »Ihre Medien waren sehr dafür!«
    »Sie nicht? Haben Sie selber Geld in der Schweiz?« Er musterte mich mitleidig abschätzend. Offenbar hatte er noch nicht über mich recherchieren lassen. Ein Fehler, der mir Hoffnung machte, sein System sei doch nicht so perfekt.
    »Oberstaatsanwalt Weber war immer dagegen«, sagte ich.
    »Oh ja, natürlich. Er scheint mir sehr ehrgeizig zu sein. Er will hoch hinaus. Ganz hoch. Und ich fürchte, Derya hat sich ziemlich in Ihren … verzeihen Sie, falls ich jetzt etwas Falsches sage … Ihren Begleiter verknallt. Ich fürchte, er nutzt ihre Schwärmerei nur aus, um an mich heranzukommen.«
    »Warum sollte er das tun?«
    In Groschenkamps Bronchien rasselte der Schleim. »Das wüsste ich auch gern. Ich zahle immer anständig meine Steuern.«
    *
    Während ich mit Oiger Groschenkamp das Rosenbeet auf und ab schritt und hoffte, er werde endlich ersticken und tot umfallen, geriet Richard im Haus auf Abwege. Jedenfalls gemessen an seinen Prinzipien. Vielleicht hatte er mich herumtreppeln gehört. Andererseits stand er sowieso gern früh auf. Denn morgens kamen ihm die Fragen, denen er ungern Macht über sich gewährte. Früh morgens, wenn die Vögel anfingen zu lärmen, war er empfindlich für Ärger. Dann regte er sich auf. Wieso war letztes Jahr Krautter Leitender Oberstaatsanwalt geworden und nicht er? Wo er doch wesentlich mehr Fälle zur Anklage und zu einem Urteil gegen den Angeklagten geführt hatte als Krautter. Zusammen mit der Steuerfahndung hatte er der

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