Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
Tat beweisen.«
Wir betraten den Salon.
»Gut«, erwiderte Oiger Groschenkamp. »Da bin ich bei Ihnen. Und ich stelle Ihnen alles zur Verfügung, was Sie dazu brauchen, Fahrzeuge, Detektive, mein Flugzeug, die Medien, insofern Sie mir die Einflussnahme gestatten.«
Der Trottel merkte nicht, dass ich ihn für Rosenfelds Mörder hielt. Zumindest für den, der die Tat in Auftrag gegeben hatte. Telepathische Fähigkeiten besaß er jedenfalls nicht. Und er war ein Beispiel dafür, dass Reichtum nicht gleichzeitig auch intelligent machte.
»Danke«, sagte ich hochnäsig. »Ich komme schon zurecht. Und ich frage mich: Warum hätte Katzenjacob Rosenfeld umbringen sollen? Wo er doch nur von ihm die Million bekommen konnte.«
»Gute Frage«, antwortete Groschenkamp.
Als wir in den Flur bogen, stellte Cipión plötzlich die Rute, fing an zu wedeln und strebte zur Tür von Groschenkamps Arbeitszimmer.
»Du irrst dich, Cipión«, sagte ich lauthals und blieb stehen. »Die Küche ist dort.«
Oiger stoppte ebenfalls und schaute ratlos auf den Hund hinab. »Was will er denn? Hat er Hunger?«
»Oder Durst.« Ich zerrte Cipión zur Küche. Glücklicherweise folgte mir der Hausherr. So bekam Richard Gelegenheit, das Arbeitszimmer zu verlassen.
Cipión wollte natürlich nichts trinken.
»Verfressenes Biest«, fluchte ich entschuldigend. »Ich habe ihm vorhin hier etwas gegeben. Jetzt meint er, es müsse immer so sein.«
»Hm, hm.« Oiger hatte keine Erfahrung mit Hunden. Sie flößten ihm ein tiefes Misstrauen ein. Abgesehen davon, dass er überzeugt war, dass sie eine Allergie auslösten. Dabei ging sein Atem im Haus wieder relativ normal. Ich erinnerte mich, dass der Hamburger Journalist mir was von einer Agoraphobie Groschenkamps erzählt hatte. Weshalb man ihn so selten sehe.
Und schon stand Richard in der Tür und sagte: »Guten Morgen.« Ein winziges Augenzwinkern zeigte mir, dass ich mich auf Cipións Signale verlassen konnte.
»Sie sind ja alle Frühaufsteher, wie mir scheint«, bemerkte Oiger. Die Küchenuhr zeigte halb sechs. »Ich hoffe, Sie haben nicht ebenfalls mein Büro besucht.«
Richard lächelte auf seine reservierte schwäbische Art.
»Ihrer jungen Begleiterin kann ich das nachsehen. Aber Sie als Staatsanwalt bräuchten dafür einen richterlichen Beschluss. Und ich gehe davon aus, dass Sie sich an Recht und Gesetz halten.«
»Ich gebe mir Mühe«, versicherte Richard, »immer den richtigen Paragraphen parat zu haben.«
Seine Haltung widersprach der Unterwerfungsrhetorik. Er hatte den Kopf gesenkt und sich leicht seitlich gedreht. Oiger Groschenkamp war ein Mann und verstand die Signale von Körperhaltung und Blick intuitiv, genauso wie Cipión aus der Haltung eines andern Rüden las, was für eine Stellung er in der Gemeinde der Hunde beanspruchte.
»Und der lautet?«, fragte er streng.
»Gefahr im Verzug.«
Oiger hob den Kopf. Es war eine unbewusste Geste, die in der Hundesprache bedeutete: Ich entblöße meine Kehle, also beiß mich nicht. »Ah, so?«, sagte er. »Und von welcher Gefahr reden wir hier?«
Richard entspannte sich und lächelte. »Entschuldigen Sie, ich habe mich undeutlich ausgedrückt. Es war ein rein theoretisches Argument. Eine Berufsdeformation von uns Staatsanwälten. Unsereiner fühlt sich immer ein wenig im Hintertreffen. Da neigt man zu juristischem Brimborium. Ob ich hier wohl einen Kaffee bekommen könnte? Was meinen Sie?«
»Selbstverständlich.« Oiger drückte auf den Knopf des Kaffeeautomaten. »Sie wissen, wie diese Automaten funktionieren? Sie müssen nur warten, bis dieser Knopf hier grün wird.«
»Danke.«
Beide lächelten, und sie mochten sich ganz und gar nicht.
Mir zeigte Oiger dann den Ordner mit der Stiftungs-Korrespondenz. Ein halbes Dutzend Menschen hatte sich im vergangenen Dreivierteljahr beim Vorsitzenden der Edmund-Gurney-Stiftung beklagt, dass ihnen die Million zustehe, Rosenfeld sie aber entweder nicht zu den Tests zugelassen oder sie dabei reingelegt habe.
Darunter war eine Frau, die darlegte, sie könne den Tod riechen. Ungefähr vierzehn Tage bevor jemand stürbe, nehme sie einen besonderen Geruch war. Auch bei Menschen, die als völlig gesund galten, sei ihr das schon passiert. In großen Menschenansammlungen, in Bierzelten, bei Konzerten, sei es für sie eine besondere Belastung, wenn sie plötzlich röche, dass einer bald sterben werde. Sie sage nie etwas. Nur in drei Fällen habe sie etwas gesagt, einmal ihrer Mutter, kurz bevor deren
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