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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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weißen und grünen Nadeln markiert. Der Tresor befand sich hinter einem Bild aus Picassos Massenproduktion im Rücken des Schreibtischs. In verglasten Schränken an der dritten Wand standen Aktenordner.
    Ich knipste die Schreibtischlampe an und startete den Mac. Er war mit einem Passwort geschützt. Hätte ja sein können, dass nicht. Ich stellte ihn wieder aus.
    Die Schreibtischschubladen waren nicht verschlossen. Sie enthielten deutlich mehr Zeugs, als reingehört hätte, um ordentlich zu wirken. Es gab die üblichen Büroutensilien wie Klebestreifen, Schere, Spitzer, Kugelschreiber, Büroklammern, aber auch Klemmbretter und schwarze Klemmen mit silbernen Bügeln. Eine Schublade enthielt Briefumschläge, eine weitere Papier verschiedenster Qualität mit und ohne unterschiedliche Briefköpfe. Außerdem gab es Gegenstände, von denen Oiger Groschenkamp größere Mengen besaß: beispielsweise Füllfederhalter, eine halbe Schublade voll, außerdem Schlüssel vom rostigen Bartschlüssel bis zum blitzenden Bohrmuldenschlüssel, auch eine Schublade voll, und eine Schachtel voller Blechnadeln und Abzeichen, darunter ein Bundesverdienstkreuz, eine Goldnadel im Standardtanz und eine Anstecknadel mit dem Wappen von Rorschach am Schweizer Bodensee. Und wie ich so krustelte, stieß ich auf die Anstecknadel mit dem Gnomon, dem Symbol, das Emma den Kuldeern zugeordnet hatte. Es war der Zwilling zu dem Pin aus Rosenfelds Schreibtisch.
    Als ich meine Nase aus der Schublade zog, sah ich Oiger Groschenkamp im weinroten Hausmantel in der Tür stehen. Cipión hätte mich ruhig warnen können. Aber er stand wie immer stumm herum.
    »So, haben Sie gefunden, was Sie suchen?«, fragte er.
    »Ich suche nicht. Aber wenn Sie mich schon erwischen, eine Frage: Was bedeuten die Nadeln auf der Weltkarte?«
    »Das ist mein Weltreich«, antwortete er. »Manche sagen dazu auch das Medienimperium von Groschenkamp. Grün sind die Fernsehsender, weiß die Presseorgane.« Er kam herein und schloss die Tür. Das saftige Gesicht konnte auch hart werden. »Sie wühlen in meinen Sachen, und es ist Ihnen nicht einmal peinlich. Ich bin sehr gespannt auf Ihre Erklärung.«
    »Ich habe die Leiche von Rosenfeld gefunden. Seitdem bin ich Gefangene eines Rätsels.«
    Über sein Gesicht huschte ein Schatten. »Sein Tod ist ein großer Verlust für die Wissenschaft. Er stand vor einer großen Entdeckung.«
    »Was für eine Entdeckung war das?«
    »Darüber kann ich Ihnen nichts sagen.«
    »Ach so, Sie meinen Juri Katzenjacobs übersinnliche Fähigkeiten. Sie glauben, Rosenfeld habe sie bewiesen oder hätte sie beweisen können. Das ist kein Geheimnis mehr. Als wir gestern Schottland verließen, haben sie es schon im Fernsehen gebracht. Die Presse hat uns verfolgt, oder genauer, Detektive eines internationalen Detektivbüros, das für die Presse – für Ihre Zeitungen – recherchiert, beobachtet, fotografiert und Leute abhört. Und dabei haben sie die Kalteneck-Daten abgegriffen.«
    »Das klingt, als wollten Sie mir einen Strick daraus drehen.«
    »Es ist Ihr Weltreich.«
    Oiger Groschenkamp überlegte einen Moment. Der Saft kam in sein Gesicht zurück. Er machte eine einladende Geste und sagte: »Kommen Sie, gehen wir ein Stück in den Park. Da können Sie mir erzählen, was Sie so ärgert, dass Sie in meinen Sachen wühlen. Das wird dem Hund auch besser gefallen als mein Büro. Außerdem bin ich ein bisschen allergisch auf Hundehaare.«
    Das Grundstück hinterm Haus reichte bis an die Elbe hinunter. Ein Weg schlug drei Serpentinen bergab und verschwand zwischen Uferbäumen. Hasen flüchteten, als wir von der Terrasse auf die Wiese traten, die Oiger Groschenkamp nicht vertikal, sondern nur horizontal abzuspazieren gedachte. Wir wanderten an einem Rosenbeet hin und her, während Cipión die Spur der Hasen aufnahm.
    »Sie sind doch selbst Journalistin«, nahm Groschenkamp das Gespräch auf. »Würden Sie nicht auch etwas veröffentlichen, von dem Sie Kenntnis erhalten haben, auch wenn der Weg nicht ganz okay war?«
    Würde ich. »Aber was die geschrieben haben und was im Fernsehen kam, war frei erfunden. Es diente dem einzigen Zweck, eine allgemeine Panik und Hetze auszulösen. Und … wir sollten sterben dabei.«
    »Das klingt, als wollten Sie mich dafür verantwortlich machen. Was werfen Sie mir konkret vor?«
    »Dass Sie dahinterstecken. Es sind Ihre Zeitungen und Ihre Fernsehsender gewesen.«
    Er lachte gurgelnd. »Meine Tochter hätte sterben können!« Er

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