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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Mutter starb, einer Mutter, die mit ihrem Kind zum Arzt gekommen war und neben ihr im Wartezimmer saß – auch dieses Kind starb, wie sie später erfuhr –, und einer Freundin, deren Mann bald darauf starb. Diese drei Menschen könnten also bezeugen, dass sie diese Fähigkeit besitze.
    Oiger Groschenkamp hatte der Frau freundlich geantwortet und das Gutachten eines Humanbiologen beigelegt, das ausführte, dass die Fähigkeit, Gerüche als Ergebnis bestimmter Stoffwechselvorgänge wahrzunehmen, keine übersinnliche Fähigkeit sei, sondern auf einem besonders geschärften Sinn beruhe. In der Medizin setze man inzwischen auch Hunde ein, weil sie bei entsprechendem Training die Fähigkeit entwickelten anzuzeigen, ob jemand Krebs habe, teilweise sogar, welchen. Eine Erkrankung löse im Körper biochemische Veränderungen aus, die auch den Körpergeruch veränderten.
    Eine andere Frau berichtete, sie habe schon mit siebzehn ihre besondere Begabung zur Hellseherei entdeckt. Ihre beste Freundin habe ihr ein Glasfigürchen geschenkt. Eines Abends fiel es vom Regal und zerbrach. Sie fühlte einen emotionalen Schmerz und habe gewusst, dass mit der Freundin etwas nicht stimmte. Vier Wochen habe sie danach nichts mehr von ihr gehört und sie auch nicht erreichen können. Dann habe die Freundin aus dem Krankenhaus angerufen und erzählt, sie habe versucht, sich das Leben zu nehmen. Ein andermal habe sie sich mit Freunden auf dem Heimweg von der Disko befunden. Als sie in eine Straße einbiegen wollten, habe sie ein ungutes Gefühl gehabt und ihren Freunden vorgeschlagen, einen Umweg zu machen und an der Tanke noch Alk zu kaufen. Zwei Tage später habe sie aus der Zeitung erfahren, dass in ebender Straße zwei Männer überfallen und niedergestochen worden seien, weil sie kein Geld dabeigehabt hätten. Sie habe sich darum bei Rosenfeld angemeldet, er habe aber nur einige wenige und kurze Tests mit ihr gemacht und ihr erklärt, sie habe keinerlei Psi-Begabungen. Bei den von ihr geschilderten Fällen handle es sich um das zufällige Zusammentreffen von beim Menschen weit verbreiteten unterschwelligen Ängsten mit zwei markanten Ereignissen. Diese Diagnose nannte die Schreiberin eine Unverschämtheit. Sie sei sehr enttäuscht, dass eine sie so bedrückende Fähigkeit nicht ernst genommen werde.
    Zum dritten hatte ein Physiker aus Greifswald einen geharnischten Brief verfasst, in dem er Rosenfeld, McPierson und Quicio der Arroganz und Ignoranz bezichtigte und der Edmund-Gurney-Stiftung vorwarf, Scharlatanen und Betrügern aufzusitzen, die nur an ihren eigenen Vorteil dächten. Offenbar hatte Rosenfeld eine Zulassung zu den Kalteneck-Experimenten rundheraus abgelehnt mit dem Argument, er werde niemanden verleiten, seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Dabei konnte der Physiker sogar ein Buch vorweisen, in dem er schilderte, dass er sich seit zwölf Jahren nur von feinstofflichem Licht ernähre und trotzdem bester Gesundheit erfreue. Damit der Vorsitzende der Edmund-Gurney-Stiftung auch bestimmt kapierte, worum es sich handle, lag eine zwanzigseitige Abhandlung bei, in der er seine These erläuterte, wonach Lichtenergie und Materie verwandt seien und er fähig, die Lichtenergie in seinem Körper in Nährstoffe zu verwandeln. Der Dokumentation lag der Ausdruck einer E -Mail von Rosenfeld bei, in der er knapp erklärte, es sei immer wieder verblüffend, mit wie wenig Kalorien ein Mensch tatsächlich auskommen könne. Und solange der Mann noch Gemüsesäfte trinke, sei sein Überleben gesichert, wenn ihm auch wegen des Mangels an Folsäure und Proteinen kein langes Leben beschieden sei.
    »Was es nicht alles gibt!«, seufzte ich. »Aber ob gekränkte Eitelkeit reicht als Mordmotiv?«
    »Wieso?« Oiger schrak hoch. Er war in einem Sessel in seinem Büro zusammengesunken und hatte gedöst, während ich an seinem Schreibtisch saß und den Ordner mit der Korrespondenz durchblätterte.
    »Na, immerhin scheinen diese Leute besessen davon zu sein, dass sie eine spezielle Macht haben.«
    »Glauben Sie?«, fragte er.
    »Na, stellen Sie sich vor, Sie könnten per Geisteskraft Menschen lenken, Maschinen stoppen oder die Zukunft vorhersehen. Ansonsten sind Sie aber ein kleiner Angestellter, ein Anstreicher, ein frustrierter Lehrer, ein Milliardär, auf den die Politiker nicht hören. Aber diese eine Macht haben Sie … Hätten Sie die nicht gern, Herr Groschenkamp?«
    Die Äuglein des Alten fixierten mich.
    Da war ich mir sicher.

Teil 3

Ja,

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