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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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überstürzt aufzulösen, weil ich zum Zug musste. Wir schieden mit der Beschwörung, dass ich diesmal nicht eine Stunde nach unserem Kaffeeklatsch mit Weltpolitik erschossen werden würde.
    Im Zug versuchte ich, an das Leben und seine Fragen von vor dreieinhalb Tagen anzuknüpfen.
    »Wann fahren wir nach Neuschwanstein, Richard? Du hast es versprochen.«
    »Ach Gott, dieses Kunstschloss!«, sagte Derya.
    »Rosenfelds Tod hat mit Neuschwanstein zu tun. Das Medium der Haunt Hunters aus Sigmaringen liegt mir seit Tagen in den Ohren. Es drohe große Gefahr und so.«
    Derya lachte auf. »Das ist doch Blödsinn!«
    »Und, Richard, ich möchte, dass alle mitkommen, die bei der Geisterbeschwörung auf Monrepos dabei waren, Meisner, Krautter, Kallweit …«
    »So haben wir aber nicht gewettet, Lisa.«
    »Doch. Es war immer klar, dass alle mitmüssen! Einer von uns hat uns damals auf Neuschwanstein gehievt. Und der oder die soll uns nun verraten, warum. Du musst Meisner und Krautter …«
    »Nein, ich werde Krautter nicht fragen. Der würde sich bedanken, wenn ich ihm mit einem derartig absurden und im Übrigen desavouierenden Ansinnen käme.«
    Wenn Richard fremdsprachlich wurde, ließ er nicht mit sich reden. Allerdings war mir neu, dass er sich vor einem Vorgesetzten duckte.
    »Wenn du ihn nicht fragst, dann frage ich ihn eben!«
    Er schnaubte und entfaltete eine großformatige überregionale Zeitung.
    Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und schweigsam. Derya las einen Krimi und Richard verschanzte sich hinter seiner Zeitung. Ich schaute aus dem Fenster und bemühte mich, durch meine bloße dicke Anwesenheit zu stören. Zuweilen blickte Derya zu Richard hinüber. Er reagierte nicht. Er – das wusste ich aus Erfahrung – vermisste Gespräche nicht.
    Gegen zehn Uhr nachts stiegen wir im Stuttgarter Hauptbahnhof aus. Richard bot Derya an, sie in seinem Wagen nach Holzgerlingen zu bringen. Allerdings mussten sie sich erst einmal mit dem Taxi zum Flughafen bringen lassen, wo Richards Limousine stand.
    Ich marschierte mit Cipión durch den Park in die Neckarstraße. Das war’s dann erst mal mit uns.

41
    Als Samstag früh die Läden aufmachten, war ich die Erste, die sich einen Laptop kaufte. Auf dem Rückweg radelte ich durch den verfrühten Stadtsommer in den Heusteig und klopfte Dora Asemwald aus ihrer Galerie.
    Sie war eine schlaksige Schönheit mit spitzen Ellbogen, spitzen Haaren und spitzem Mund, schön, flüchtig und blitzgescheit. Es war sogleich Vertrautheit da, wie immer, wenn Facebook-Freundschaften dreidimensionale Gestalt annahmen. Wir saßen unter Fleischerhaken vor dem alten Kühlschrank an einem Tisch, auf dem sich ein Computerbildschirm an den andern reihte, und plapperten.
    Ja, sie kannte den, der zuerst im Twitter-Account der New York Times und dann in fünf weiteren großen Zeitungen die Vorhersage platziert hatte, dass das Internet zusammenbrechen würde. »Er hat den Tweet signiert«, sagte Dora. »Diese Hacker sind doch alle eitel. Im wahren Leben sind sie nichts, unbekannt, unbedeutend. Und wenn sie so einen Coup landen, wollen sie, dass Insider wissen, dass sie es waren. Der hier ist total der Fan von Ninjas, Samurais und dem ganzen japanischen Schwerterzeugs. Er nennt sich Force of Shinobi.«
    »Und wie hat er das hingekriegt, dass sich die Meldung derartig rasant verbreitet hat?«
    »Sie hat sich an den Shinobi-Virus gehängt, der in vielen Computern sitzt. Das Wort Shinobi ist der Trigger. Er aktiviert, dass sich die Mail mehrfach an alle Adressen des Postfachs verschickt. Absolut likely, dass so was zum Breakdown des Internets führt. Bei uns in Deutschland ist der Virus nicht so verbreitet.«
    Force of Shinobi hieß im Leben Pio Janssen und hatte seinerzeit zur Informationstechnologie-Abteilung des Stuttgarter Anzeigers gehört, die nach dem Aufbau des Online-Bereichs komplett entlassen worden war. Was er jetzt tat, wusste Dora nicht. Sie hatte ihn zuletzt vor knapp zwei Jahren gesehen. Damals lebte er im fünften Stock in der Reinsburgstraße mit einer Cannabiszucht zusammen. Die genaue Adresse wusste sie nicht mehr. Wir knatterten auf Doras Vespa in die Reinsburgstraße und versuchten ganz oben an der Mündung in die Rotenwaldstraße das Haus zu identifizieren. Wir linsten über die Eisentore zwischen den Gebäuden in die Hinterhöfe, aber Dora erkannte nichts wieder.
    Den Rest des Tages war ich damit zugange, meinen neuen Klappcomputer in Betrieb zu nehmen. Als der Internetzugang lag,

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