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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Handy funktionierte nicht. Aber es hat oft nicht funktioniert. Wir haben Witze darüber gemacht. Die Geister stören sein Handy. Er hatte doch so viel mit Geistern zu tun. Zwei Tage später bin ich hinübergefahren und habe gefragt, wer der Tote ist. Es war eine alte Frau.«
    »Und wen er treffen wollte, weißt du nicht?«
    »Einen Kollegen von da, wo er gearbeitet hat.«
    »Wie hieß der?«
    »Weiß ich nicht mehr genau. Es klang wie Yuli.«
    »Juri?«
    »Vielleicht.«
    Hatte irgendwer nachgeprüft, was Juri Katzenjacob im Januar gemacht hat, eine Woche bevor Rosenfeld starb? »Und der wollte Héctor Geld verschaffen?«
    »Das weiß ich nicht. Héctor hat es mir nicht erklärt. Oder ich habe nicht zugehört. Meinem Mann ging es schlecht. Ich war in Sorge.« Die Mutter ohne Mann und Sohn schaute mich an. »Kennst du diesen Juri?«
    »Der, den ich kenne, sitzt im Gefängnis. Der Chef des Instituts, in dem Héctor gearbeitet hat, ist tot. Könnte sein, dass Juri ihn getötet hat. Wann ist Héctor hierhergekommen? Weißt du das noch?«
    »Am Sonntag nach Dreikönig.«
    Dreikönig war der sechste Januar. Der Artikel über Rosenfelds Besuch in Neuschwanstein stammte vom Montag, dem 10 . Januar. Das kam hin. Und schon eine Woche später hatte er sich in Dénia mit Juri verabredet? Das gab der Sache einen neuen Dreh. Womöglich hatten die beiden einen Betrug ausgeheckt, um an die Million zu kommen. Und offenbar erfolgreich, denn Oiger Groschenkamp hatte die Million überwiesen. Allerdings nicht direkt an Juri, sondern auf ein Schweizer Konto, dessen Nummer Rosenfeld kannte. Vielleicht war Héctor an die Nummer gelangt und hatte das Konto geplündert. Dann war er mit dem Geld nach Spanien geflohen. Juri hinterher. Und es war zum finalen Streit gekommen auf dem Montgó.
    Ich schaute hoch zum Rücken des Sauriers und erkannte das Kreuz. Aber nicht zu diesem waren sie gestiegen, sondern zum andern, zum Dénia-Kreuz, wie Julia mir erklärte.
    Zwei Orte im Kreuzkrieg.

46
    Im Parador kaufte ich mir für zwei Wochen und zweihundert Euro pro Nacht den Blick aufs Meer. Die Leute, die in dem alten franquistischen Hotel zwischen Zimmer mit TV und Hotspot, Bar, Terrasse und Ausflügen ins Hinterland in steter Sorge um ihre Limousinen Luxusurlaub machten, waren auch nicht die, mit denen ich zu reden pflegte.
    Das Cabo San Antonio trennte die beiden Kreuzfeinde. Auf dem Pass lag ein Schießplatz, wo man sonntags auf Tontauben schoss. Im Vergleich zum steilen und harten Jávea war Dénia auf der anderen Seite eine weiche bürgerliche Stadt, die sich mit Hunderten weißer Ferienhäuser an die Flanke des Montgó schmiegte. Unten im Zentrum fingen Cafés unter Platanen die Touristen ab, bevor sie in die Gassen gingen, wo die Einheimischen abends die Stühle vors Haus stellten, während hinter ihnen im Fenster der Fernseher lief. Es war alles darauf angelegt, dass der Gast nur Kellner kennenlernte. Nicht einmal die Schwelle zum Lokal überschritt er. Einheimische liefen in ihrer Parallelwelt die Fußwege entlang, zuweilen genervt, weil sie Bummler in kurzen Hosen und Sandalen mit Socken umrunden mussten. Eine Berührung gab es nicht. Wozu auch hätte ich die Maklerin im Kostüm oder die Rathausangestellte in schwarzen Hosen und weißer Bluse ansprechen sollen? Und die Männer waren alle ziemlich kurzbeinig, hatten Handys wie Colts am Gürtel der Hose, aus deren Tasche der Schlüsselanhänger baumelte, und guckten entweder impertinent nicht weg oder gar nicht hin. Nein, wir hatten uns nichts zu sagen. Ohnehin sprachen sie einen Dialekt, das Valencianische, das sie für eine eigene Sprache hielten und für ein politisches Programm, allein weil es einst unter Franco verboten gewesen war. Niemand lächelte, weil ich nicht erwartete, dass man Deutsch mit mir sprach. Im Gegenteil: Kellner, Apotheker, Zigarettenverkäufer und Sherry-Händler demonstrierten mir durch Nichtverstehen, dass ich, wenn ich mir schon die Mühe gemacht hatte, eine hispanische Sprache zu lernen, doch besser gleich Valencianisch gelernt hätte. Ansonsten war es besser, ich hielt mich dort auf, wo alle Touristen sich aufhielten. Beispielsweise im Auto.
    Wenn du auf den Berg willst, hatte Julia mir erklärt, musst du nach La Pedrera fahren und den Schildern zur Marquesa 6 folgen. Dort hatten die gebaut, die weder wussten, wohin mit ihrem Geld, noch mit sich selbst. Sie selbst waren alle nicht da, aber sie hatten Architekten korrumpiert, ihnen Villen zu bauen, die aussahen wie

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