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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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in Spanien gab es Tierheime. Leider konnte ich schwimmen. Es klappte nicht.
    Also Schluss mit der Weinerlichkeit. Es wurde dringend Zeit, dass ich die Angelegenheit abschließend klärte, erbarmungslos und ehrlich mit mir selbst. Ich musste wieder hoch auf den Berg mit den zwei Kreuzen. Immer wieder, wenn es sein musste, so lange es eben dauerte, bis sich im Nerz’schen Betonkopf was bewegte.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück und schrieb Meisner eine Mail, in der ich ihr mitteilte, dass sich Juri Katzenjacob im Januar in Dénia aufgehalten haben und dort mit Héctor Quicio zusammengetroffen sein könnte.
    Da endlich machte ich mich auf die Suche nach der Leiche, die ich war. Tag für Tag fuhr ich die Serpentinenstraße über den Berg nach Dénia hinunter, suchte mir irgendeine Stichstraße in der Urbanisation Richtung Berg und stieg über Stein und Gestrüpp hinauf, zuerst bis zur Calle de Colonía, dem Weg, der an der Flanke des Sauriers entlangführte, dann die barrancos hinauf, in denen lang und dünn der Spargel wuchs und Orchideen blühten. Einmal stieg ich vorne hoch zum Jávea-Kreuz, ein anderes Mal von hinten hinauf zum Dénia-Kreuz. In meinem Schädel tat sich nicht viel. Ich dachte nur immer wieder: Mehr als um Verzeihung bitten kann ich schließlich nicht. »Das musst du doch akzeptieren!«
    »Nein, Lisa«, sprach er in mir. »Was ich muss, musst du schon mir selbst überlassen.«
    »Wieso muss ich das?«, schrie ich in den Lärm der Zikaden. »Darf ich nicht auch selber entscheiden, was ich muss?«
    So kamen wir nicht weiter. Der Berg fraß die Tage. An Héctor dachte ich schon lange nicht mehr.
    Der letzte Tag vor dem gebuchten Rückflugtermin begann glühend heiß. Heute wirst du es schaffen, dachte ich. Dieser Tag war anders als die andern. Allein der Trupp Arbeiter war seltsam, der neben der Straße, die ich hinauffuhr, einen Kanal von Ästen, Unrat und ausgebleichtem Palmlaub befreite. Es gab noch viel zu tun, wie ich erkennen konnte. Die Röhren unter den Zufahrten zu den Grünstücken sahen ziemlich verstopft aus.
    Ich parkte, wo die Straße am Grün des Berges endete, und stieg einen Pfad hinauf zum Halbhöhenweg, wo ich Cipión auf seine eigenen vier Kurzbeine stellen konnte.
    Ich war kaum zehn Minuten unterwegs, da roch es brenzlig. Urplötzlich knatterten Flammen um ein Bäumchen herum in die Höhe, schwarzer Rauch warf sich zwischen mich und den Blick über die Stadt.
    Der Berg ist an sich riesig. Ein Feuer musste nicht ausgerechnet bei mir ausbrechen. Das war kein Zufall. Und in der Tat, ich sah zwanzig Meter unter mir jemanden davoneilen. Ich zog mein Handy und fotografierte den Mann. Er verschwand dort zwischen den Häusern mit ihren blauen Pools, wo ich mein Auto abgestellt hatte.
    Dieser Weg war mir versperrt, denn der Wind trieb Feuer und Qualm dort entlang. Cipión nieste. Ich packte ihn untern Arm und eilte. Unterhalb des Wegs barsten knallend die knorrigen Stämme der uralten Steineichen, die gnomenhaft zwischen den Felsen hockten, Funken regneten auf mich herab. Hier und dort fanden sie Nahrung und gebaren Feuerstellen, die sich schnell ausbreiteten. Ich bog in den steilen Hang ab, nur nach oben konnte ich noch entkommen.
    Und ich verurteilte mein wehleidiges Spiel mit dem Ersaufen vor einer Woche. Das jetzt war tödlich. Und der Montgó ist kein freundlicher Berg. Er zeigt dem Fremden seine Pfade nicht. Zwischen scharfkantigen Felsköpfen stacheln Disteln und Mäusedorn. Ich schürfte mir Hände und Beine blutig. Und dann stand ich unversehens direkt unter der Felswand. Höher ging nicht, unter mir war Feuer und Rauch. Maria hilf!
    Sie half. Ich erkannte schräg über mir die Höhle in der Wand. Sogar einen Pfad gab es, der dorthin führte. Die Höhle überraschte überdies mit einem kleinen Wasserbecken. Ich kroch so tief wie möglich hinein, setzte Cipión auf den Boden, der gierig Wasser schlappte, und redete mir ein, dass Feuer nicht in Höhlen kriecht. Zu kalt, zu dunkel und – entscheidend – es gab keinen Luftzug hinein.
    Immerhin drangen jetzt schon mal die Sirenen von Feuerwehrautos zu mir herauf.
    Auch wenn mich in Stuttgart niemand vermisste, so war ich hier immerhin einem Menschen wichtig genug gewesen, mich zu verbrennen. Zufall konnte das nicht sein. Der Brandstifter musste mich gesehen haben. Und ich war die Einzige weit und breit gewesen. Wenn er trotzdem Feuer gelegt hatte, dann, um mich zumindest in Not zu bringen.
    Ich wählte den Euronotruf 112 und

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