Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
von … dass ich manchmal schon geglaubt habe, alle würden sterben, mit denen ich was zu tun habe, wenn … wenn sie mich mies behandeln.«
    »Okay.«
    »Sie hat gesagt: Wir teilen uns die Million, Héctor, sie und ich.«
    Das war durchaus vorstellbar. Drei Habenichtse, die über den Rand in den großen Geldtopf guckten. Und als Desirée in Rosenfelds Bett kletterte, fiel das Verschwörertrio auseinander. Héctor ergriff die Flucht oder Rosenfeld jagte ihn davon, nachdem er durch Desirée von den Betrugsabsichten erfahren hatte. Juri fühlte sich verraten und stellte Héctor in Dénia zur Rede. Der zuckte mit den Schultern. Juri verfluchte ihn oder zeigte mit einem Knochen auf ihn oder was er so tat, um Menschen glauben zu machen, dass sie sterben würden, weil sie ihn, Juri, getäuscht hatten. Daraufhin war Héctor so durch den Wind, dass er beim Gewitter am Berg abstürzte. Und Desirée erkrankte an Angststress und wurde leichte Beute für den Tod.
    So könnte es gewesen sein.

64
    »Bei uns hat er kein Wort gesagt!«, bruddelte Christoph, als wir wieder auf der Autobahn waren. »Und bei dir redet er wie ein Buch. Einfach so.«
    »Nicht einfach so. Sondern weil er glaubt, dass ich stärker bin als er.«
    Christoph schnaubte. Er war ein guter Bulle, sachlich, fleißig, korrekt, sportlich, machte seine Schießübungen, klingelte bei allen Zeugen und tippte sich die Fingerkuppen ab, um ihre Aussagen zu Protokoll zu nehmen. Er war in fast jeder Soko mit dabei und schloss, obwohl er es hasste, hinterher auch noch die Akten ab. Er kannte alle klassischen Fallmuster, nur Phantasie hatte er keine. »Was hat das denn damit zu tun?«
    »Manche Menschen vertrauen sich gern Stärkeren an.«
    »Wieso bist du stärker als er?«
    »Ich kann Judo und er nicht, er kann nur Bankdrücken. Und ich bin ihm mental überlegen. Er hat mich nicht töten können.«
    »Er hat es doch gar nicht versucht!«
    »Doch. Wie du weißt, bin ich angeschossen worden, letztes Jahr auf der Buchmesse. Und in der Welt von Spuk und Quantenverschwörung ist Zukunft und Vergangenheit eins, es ist alles gleichzeitig.«
    »Das ist mir zu hoch, Lisa.«
    »Ich will damit sagen: Er glaubt daran, dass irgendeine Macht die Leute tötet, wenn er es will. In seiner Kindheit war es mal notwendig. Es hat ihn gerettet und ihm das Gefühl von Macht gegeben. Wenn er sich heute underdoggisch fühlt, dann sucht er nach diesem Gefühl der Macht, er fürchtet sich aber auch davor. Er glaubt, dass seine Adoptiveltern in den Tod gerast sind, weil er sie zum Teufel gewünscht hat. Mittlerweile bezieht er jeden Tod auf sich und seine finsteren Wünsche. Und es fällt ihm schwer, darüber zu schweigen. Er will es erzählen. Kann schon sein, dass manche, denen er es erzählt hat und die ihn nicht gerade fair behandelt haben, Angst bekommen. So was, sagen Voodoo-Forscher, kann bewirken, dass Leute vor Angst krank werden und tatsächlich sterben. Aber in mir sieht Juri jemanden, bei dem seine Macht versagt.«
    Dass ich Juri einen Ausweg angeboten und er ihn angenommen hatte, durfte ich Christoph nicht sagen.
    Genau das ist es!, dachte ich auf einmal. Wie lange suchte ich schon nach dem Moment, wo ich Teil der Verschwörung geworden war und sich seltsame Dinge zu ereignen begonnen hatten? Zwischen Karlsbad und Pforzheim fand ich ihn. Es war nicht mal eine Überraschung. Ich hatte es immer gewusst. Die Kugel hätte mein Herz treffen müssen, ein Meisterschütze hatte sie mir geschickt, aus nächster Nähe. Und Juri hatte mit seinem zweiten Gesicht gesehen, dass in meiner linken Titte eine Narbe juckte. Außerdem hatte Kitty zu Salm-Kyrburg immer erklärt, nur jemand mit Narbe könne Rosenfelds Geist das Geheimnis entreißen. Ja, klar, es war alles totaler Humbug, aber verdammt, was für vertrackte Zusammenhänge!
    Und ich wunderte mich nicht. Das ist das Entscheidende. Man wundert sich nicht, wenn man Teil einer Seltsamkeit ist. Das Gefühl der Harmonie ist zu dominant, man weiß sich einig mit dem eigenen Geschick. Es fügt sich einfach. Es hat so kommen müssen.
    Sicher hatte es vorher in meinem Leben auch schon solche Momente gegeben, aber es war nicht mehr wichtig, sie zu durchdenken. Es würde genau dasselbe herauskommen: Ich habe die Fähigkeit zu wollen, ohne darüber nachzudenken, ob es sinnvoll ist oder aussichtsreich. Wenn ich intellektuell unter Affenniveau agiere, fast ohne Bewusstsein, dann flutscht es. Reflexion stört, sie macht dich zum Beobachter. Und der Beobachter

Weitere Kostenlose Bücher