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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Scheiterhaufen? Oder sollst du mich hinrichten? Haben sie dich geschickt?«
    »Nein, du wirst nach Rumänien ausgeliefert. Im Kloster Sambata de Sus warten ein Dutzend Bewohner des Dorfs, in dem du geboren bist, darauf, dass Deutschland dich ausliefert im Austausch gegen sechzig Geiseln. Die rammen dir dann einen Eichenpfahl ins Herz. Oder was die so mit einem Strigoi machen.«
    Juri richtete sich auf. »Ich bin kein Strigoi! Kein Untoter! Ich bin lebendig. Ich bin aus Fleisch und Blut.« Er hieb sich mit der Hand auf den Bizeps des anderen Arms. »Ich trinke kein Blut, ich esse den Gefängnisfraß. Das könnt ihr nicht machen!«
    »Aber du ziehst die Leute ins Grab, Juri.«
    Er schob mit der Kuppe seines Mittelfingers ein Aschestäubchen über den Tisch, statt sich über meine abwegige Behauptung zu beschweren. Sie ging ihm reibungslos in den Kopf. Nach einer Weile hob er die Augen und schaute mich an. »Übrigens, ich habe den Geisterprofessor nicht umgebracht.«
    »Ich darf mit dir darüber nicht sprechen.«
    »Der Alte war’s, der Vater von dieser Kanakenschlampe.«
    »Oiger Groschenkamp?«
    »Keine Ahnung, wie der heißt. Er hat den Professor kaltgemacht.«
    »Warst du dabei?«
    »Ich kam gerade rauf. Er stand in der Tür vom Büro, mit der Schere in der Hand …«
    Die Schere! Derya hatte sie gesucht am Montag nach der Tat. Sie war bis heute verschwunden.
    »Er hatte sie offen in der Hand, er hat mit einem Blatt zugestochen. Mitten ins Herz. Der Professor lag am Boden. Man hat gar nicht groß was gesehen, ich meine, kein Blut und so. Bei einem Stich ins Herz fließt fast kein Blut. Der Alte war total starr. Er hat’s nicht kapiert. Ich bin rein und hab gesehen, dass der Professor tot war. Er ist tot, habe ich gesagt. Da hat er mir Geld angeboten, wenn ich es auf mich nehme. Eine Million, hat er gesagt. Ich habe gesagt, du spinnst, dafür gehe ich lebenslänglich in den Bau. Er hat gesagt, für im Streit nicht. Ich soll sagen, ich hätte mich mit dem Professor gestritten. Wegen Geld. Weil ich die Million hätte haben wollen, wo für die Kalteneck-Experimente ausgesetzt ist. Der Alte wollte vor Gericht bestätigen, dass ich Anspruch hätte und Rosenfeld sich geweigert hätte, weil er noch Tests machen wollte. Und dann hat er plötzlich die Tür zugezogen und abgeschlossen, und ich war noch drin. Ich soll es mir überlegen, hat er durch die Tür gesagt. Wenn ich ihn raushalte, dann kriege ich die Million. Der hat gedacht, ich würde da bis Montag sitzen bleiben.« Juri lachte hart.
    »Aber du hast gewusst, dass du durch den Fahrstuhlschacht unterm Einbauschrank rauskannst.«
    Er schaute mich halb überrascht, halb anerkennend an.
    »Die Polizei ist dir nicht draufgekommen, Juri, aber meine Freunde und ich. Ganz schön ausgeklügelt.«
    Der Bursche lächelte durchaus zufrieden. »Ich hatte ja Zeit.«
    »Du hast gedacht, so kämst du davon.«
    »Ja. Blöd, ich weiß.«
    »Und das Herz, warum hast du das mitgenommen?«
    »Da hätte man doch gleich gesehen, dass der Professor erstochen worden ist. Aber wenn man nicht weiß, wie einer gestorben ist, kann man niemanden anklagen, habe ich mal gehört.«
    »Da hast du falsch gehört. Was hast du mit dem Herz gemacht?«
    »Ich habe es irgendwo in den Wald gelegt, für die Füchse. Und die Schere, die habe ich vergraben.«
    »Weiß dein Anwalt das?«
    »Ich hab’s ihm erzählt, ja. Aber er sagt, man kann nicht beweisen, dass es der Alte war. Die Polizei hat keine Spuren von ihm gefunden. Und ich täte mir nur schaden, wenn ich vor Gericht den Alten beschuldige. Sowieso könnte man mir nichts nachweisen außer Leichenfledderei, und da bekäme ich höchstens drei Jahre. Dass ich das gemacht habe, das rettet mich jetzt, sagt mein Anwalt. Hätte ich gar nichts gemacht, würde ich als Mörder gelten. Aber so …«
    »Und die Nadel in Rosenfelds Ohr? Die zugeklebten Augen, die Steinchen? Was sollte das?«
    Juri wurde auf einmal eckig und ängstlich. »So halt. Man … man muss die Toten töten. Sie holen einen sonst. Man darf ihnen nicht in die Augen sehen, der Mund darf nicht offen stehen. Das ist wichtig! Ich habe gesehen, wie sie ganze Familien geholt haben. Die Leute lachen darüber, aber ich weiß es. Der Tod ist böse und gierig. Sehr gierig.«
    »Aber die Untoten haben dich doch schon erwischt, Juri. Du bist doch schon selber so einer. Du bist ein Nachzehrer. Du ziehst die Leute ins Grab.«
    »Nein!« Er sprang auf.
    Ich ebenfalls. »Desirée ist tot, Juri!«
    »Aber

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