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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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erzählt. Es heißt, er war es selbst. Er hat Rosenfeld getötet. Es ist so, wie es für uns immer ausgesehen hat. Und er hat mir sogar verraten, wie er es gemacht hat. Nämlich mit der Schere. Fragt mich nicht, warum. Vielleicht gab es Streit ums Geld. Juri wollte es haben, Rosenfeld wollte es nicht geben. Vielleicht hat Rosenfeld ihn für einen Betrüger gehalten, oder er hat sich geweigert, ihn zu testen, weil Juris Begabung darin besteht, Menschen unter Stress zu setzen und in den Tod zu treiben. Juri fühlte sich betrogen und ist ausgerastet. Hernach hat er das Herz entfernt, was im Programm seiner makaberen Lust an Leichen ohnehin enthalten war. Er hat einige Zeit bei der Leiche verbracht, das steht fest. Er hat seine Lust befriedigt und sich in Ruhe etwas ausgedacht, um hinterher nicht als Mörder dazustehen. Er hat Farbe geholt, hat die Tür von innen abgeschlossen, hat Rosenfelds Körper so gelegt, dass die Füße die Tür fast berührten und niemand den Raum mehr durch die Tür verlassen konnte, hat im Einbauschrank das unterste Brett entfernt, die Ränder mit Farbe eingepinselt, ist hinausgestiegen und hat von unten mit dem Griff das Brett in den Rahmen gezogen. Übers Wochenende ist die Farbe getrocknet. Für die Polizei sah es so aus, als sei das Brett nie bewegt worden.«
    Derya seufzte tief, langte zu mir herüber und drückte meine Hand. »Danke, Lisa.«
    »Allerdings«, musste ich leider einwenden, »fällt mir keine Erklärung dafür ein, warum die Tür von Rosenfelds Büro abgeschlossen war und sich der Schlüssel in der Schublade deines Vaters in Hamburg befand.«
    »Aber das ist doch ganz einfach!«, rief Finley mit gedämpfter Stimme. »Es ist doch erwiesen, dass Deryas Vater an jenem Freitag auf Burg Kalteneck war.«
    Ich nickte. »Es ist bis fast zur Tür belegt.«
    »Dann war er es, der Juri erwischt hat. Ich stelle es mir so vor: Juri ist längst im Büro zugange …« Ein kleiner Schauder schüttelte den Schotten. »Er wendet Groschenkamp den Rücken zu, die Leiche liegt weit im Büro, die Tür ist vielleicht angelehnt. Bestimmt sogar. Groschenkamp erfasst die Lage, er weiß, dass er als alter Mann keine Chance hat. Er muss zudem fürchten, ebenfalls Opfer zu werden. Er ist aber so geistesgegenwärtig, den Schlüssel von innen abzuziehen, die Tür zu schließen und von außen abzuschließen. Dabei zieht er den Schlüssel im Reflex heraus und steckt ihn in die Tasche.«
    »Gut gemacht! Allerdings hätte er dann umgehend die Polizei verständigen müssen«, bemerkte ich.
    »Vielleicht stimmt Juris Aussage in diesem Punkt ja. Sie haben durch die Tür hindurch diskutiert. Und Juri hat ihm etwas angeboten, das Groschenkamp nicht ausschlagen konnte.«
    »Ja, genau! Er hat sich Groschenkamp als mächtiger Tantrik angeboten, als der, der mit Geisteskraft Menschen in Angst und Schrecken versetzen, Unfälle provozieren, ja sogar töten kann. Groschenkamp hat erkannt, was für eine Geschichte das ist, was für ein Geschäft. Womöglich hat er sogar daran gedacht, Juri in einer TV -Show zu vermarkten. Aber das wäre nur gegangen, wenn er nicht als Mörder verurteilt wird, der mit eigener Hand zusticht. Darum musste es auch so aussehen, als sei Rosenfeld wie durch Zauberhand in einem hermetisch abgeschlossenen Büro ums Leben gekommen. Ich vermute, Derya, es war dein Vater, der Juri erklärt hat, wie er sich verhalten muss, damit der Tatort nach einem Spukgeschehen aussieht und er überdies mit einer kurzen Haftstrafe davonkommt.«
    Derya schlug die Hände vors Gesicht. »Nein, das will ich nicht glauben!«
    »Rosenfeld wäre ohnehin nicht mehr lebendig geworden, Derya. Vermutlich hatte Juri mit seiner blutigen Arbeit längst begonnen. Und wahrscheinlich hat er deinem Vater auch gedroht. Und zwar damit, dass er ihn totdenkt. Dein Vater hat miterlebt, wie der Kronleuchter in Neuschwanstein ins Schwingen geriet. Er konnte sich der Suggestivkraft des Burschen nicht entziehen, genauso wenig wie … wie ich.«
    Im Augenwinkel sah ich Richard in die Lounge zurückkehren.
    »Aber«, muckte Derya ein letztes Mal auf, »einen Beweis dafür gibt es nicht. Es gibt doch auch keinen, dass Juri …«
    »Still!«, unterbrach ich sie. »Und nichts davon zu Richard. Es würde ihn verrückt machen zu wissen, dass wir morgen einem Mörder helfen, ungestraft davonzukommen und mit neuer Identität ein neues Leben anzufangen.«
    Im Fahrstuhl zu unseren Zimmern hoch, auf Tuchfühlung zwischen Derya und Richard, fiel mir

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