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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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reden! Tausend Pfund für die Story.«
    »Fuck off!«
    Dennoch schnappte ich mir die Karte, fuchtelte noch mal kurz mit der Klinge und ließ sie stehen, um meinem Trupp hinterherzurennen. Als unten am Hafen die Bootsmotoren erstarben, hatten wir die letzten Lichter hinter uns gelassen und eilten auf der einen und einzigen Straße ins gigantische Dunkel der Insel.
    »Wohin gehen wir?«, erkundigte sich Finley.
    »In die Gegenrichtung«, antwortete ich. »Die Polizei geht sicher zuerst zu unserm Hotel.«
    Richard widersprach nicht. Er hatte überhaupt noch nichts gesagt, seit ich ihn beim Fremdküssen erwischt hatte. Auch Derya atmete nur. Sie hatten mächtig mit sich zu tun. Ich eigentlich auch. Aber Finley fragte. Und so erklärte ich, was ich im Internet entdeckt hatte, während sie das Vaterunser herunterbeteten.
    »Aber das klärt sich doch auf«, sagte er. Es war die einzig mögliche und vernünftige Reaktion. »Wir leben, wir können uns ausweisen. Wir sollten umkehren.«
    »Und wenn das gar nicht das ist, was die wollen?«
    »Was …« Sogar er schluckte jetzt. »Was sollen die denn wollen? Das sind Polizisten!«
    »Bist du sicher? Hast du sie gesehen?«
    Finley lachte entrüstet. »Wir sind in Großbritannien, Lisa. Wir leben in einem Rechtsstaat, don’t we? Hier verschwinden keine Leute.«
    »Wirklich? Ihr seid doch schon verschwunden.«
    »Aber nur in der Presse! Und doch auch nur in zwei oder drei Zeitungen!«
    »Und morgen bringen wieder drei Zeitungen die Story vom deutschen Hochstapler und Trickbetrüger, der zwei ehrenwerte Geisterjäger auf dem Gewissen hat. Und spätestens dann sollten wir die Hebriden, am besten die gesamten Britischen Inseln verlassen haben. Sonst lyncht uns noch der Mob.«
    Finley lachte beklommen. »Das kann ich nicht glauben. Und Methan gibt es immer mal wieder in den Gewölben. Die von der Zeitung haben die Gefahr maßlos übertrieben.«
    Trotzdem ging er mit uns weiter. Ein Dreiviertelmond breitete sein bleiches Licht über Straße und Hügel, wenn die eilenden Wolken es zuließen. Am Gehöft von Maol schlichen wir regelrecht vorbei. Noch ging die Straße geradeaus. Noch gab es eine Straße.
    »Aber es geht nicht anders«, sagte Derya nach einer Weile. »Wir, Finley und ich, müssen zurück. Wir müssen zur Polizei gehen und alles erklären. Sie werden uns ja nicht gleich erschießen!« Sie lachte in die Stille.
    Niemand sonst lachte.
    Sie blieb stehen. »Das sind doch Phantastereien. Ich weigere mich, da mitzumachen. Ich gehe jetzt zurück.« Sie versuchte forsch zu klingen. »Wer kommt mit?«
    Wir standen im Dunkeln, sahen unsere Gesichter nicht und scharrten mit den Schuhspitzen.
    »Richard«, sagte sie. »Sei du wenigstens vernünftig.«
    Es war ganz still. Man hörte eine Maus rascheln, den Wind in den Grashalmen flüstern, den fernen Ruf eines Nachtvogels.
    »Oder lässt du mich den Weg allein machen, in der Finsternis?«
    Die dunkle Gestalt, die Richard war, wankte. Wenn er jetzt die Wendung vollzog, wenn er sich umdrehte und mit ihr ging, dann … Ja, was …
    Du wirst es überleben, Lisa.
    Aber er nicht! Die Erkenntnis fuhr mir ins Gebein wie ein Blitz. Und Derya auch nicht. Und hatte ich Derya nicht großkotzig versprochen, dass, falls jemand auf sie schösse, ich mich vor sie stellen würde?
    »Schluss mit dem Theater«, sagte ich und fasste sie am Handgelenk. »Hör auf herumzumaulen und komm!«
    »He!«, knurrte Richard. »Sachte.«
    Ich spürte seine Hand an meinem Arm oder dachte es auch nur. Es reichte, damit ich vollends ausknackte. Ich fuhr herum. Er riss schützend den Arm hoch und machte irgendwas mit dem andern. Im Reflex nahm ich die Bewegung auf und warf ihn mit seinem eigenen Schwung zu Boden. Cipión, der an seiner Leinenhand hing, spritzte notquietschend beiseite.
    Stille.
    Derya eilte herbei. »O Gott, Richard. Hast du dir was getan?«
    Richard knurrte warnend. Er war nicht der Mann, der sich von Frauen aufhelfen ließ.
    »Kinder, Kinder!«, sagte Finley. »Wir wollen uns doch nicht streiten.«
    Gut, dass ich Richards Gesicht nicht sah. Sein Schweigen war eisig. Vermutlich war er stocksauer, vielmehr beleidigt. Auf den Tod gekränkt. Ich hätte ihn gleich um Entschuldigung bitten müssen. Schon drei Sekunden später war es zu spät.
    Seltsamerweise dachte nun niemand mehr ans Umkehren. Wahrscheinlich dachte keiner von uns irgendetwas Vernünftiges. Wir gingen einfach weiter, Finley vorneweg, ich mit Cipión hinter ihm und hinter uns Richard und

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