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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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anderen mussten es nicht unbedingt wissen. Vielleicht wollte er ja, dass sie glaubten, er messe dem Zeichen keine Bedeutung zu, obgleich es sich uns mit seiner Symbolkraft geradezu impertinent aufdrängte.
    Im Augenwinkel sah ich eine Bewegung. Jemand richtete etwas Rohrartiges auf uns. Ich sprang auf und schaute. Aber da war es weg, verschwunden im Strom der Kirchgänger. Das genaue Hinschauen vertreibt das Gespenstische. Was auch immer ich mehr gespürt als gesehen hatte, es wurde überblendet von der Deutlichkeit bunter Windjacken, Schirme und Rucksäcke junger Leute.
    »Wisst ihr, was ich glaube?«, sagte Finley. »Es will uns jemand zum Narren halten.«
    »Ja, die Mail von Héctor ist auf jeden Fall falsch«, sagte ich.
    »Aber …«, sagte Derya und schaute Richard mit großen Augen an.
    »Jemand will, dass wir hier sind«, sagte ich. »Finley, wer wusste gestern, dass wir in die Vaults gehen würden?«
    Er grinste. »Jeder im Institut. Ich gehe mit allen, die mich zum ersten Mal besuchen, in die Edinburgh Vaults.«
    »Hast du es auch gesagt?«
    »Gesagt?«
    »Na, gesagt, ausgesprochen, mitgeteilt … in deinem Büro, am Telefon, einer Sekretärin?«
    »Ja, sicher! Ich musste mir ja einen Schlüssel besorgen. Warum ist das so wichtig?«
    »Ich glaube, dein Büro wird abgehört«, sagte ich.
    Finley riss die Augen auf. »Indeed?«
    Derya fröstelte.
    »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen«, rief Finley. »Das ist absurd.« Er lachte. »Wir tun doch nichts Weltbewegendes. Wir sind nur verrückte Forscher auf einem Grenzgebiet.«
    »Der Gottesdienst fängt gleich an«, sagte Richard. »Wir sollten dann mal hineingehen.«
    Ich blieb mit Cipión draußen und wunderte mich, dass Richard sich das antat. Seit der grauenvollen Trauerfeier für seinen Vater hatte ich ihn bei keiner religiösen Geste mehr beobachtet. Er hatte seinen Glauben von der Kirche geschieden.

29
    Im Hotel setzte ich mich in den mit Sofas und Sesseln reichlich ausgestatteten Aufenthaltsraum und blätterte, während es draußen langsam dunkel wurde, alle verfügbaren Zeitungen durch.
    Zwei Kellnerinnen begannen, die Anrichte an der Wand mit Teegeschirr und Tellern mit Gebäck zu bestücken.
    Im Evening Image fand ich ebenfalls eine Notiz über das Methan in den Vaults und die Suche nach Leichen in einem Brunnenschacht. Der Artikel endete mit dem Satz: »Die Polizei fahndet in diesem Zusammenhang nach einem Mann aus Deutschland, um die fünfzig, fünfeinhalb Fuß groß, braune Augen, braunes Haar, gepflegte bis elegante Erscheinung, möglicherweise in Begleitung einer oder mehrerer Frauen.«
    Die Kellnerinnen lächelten nett. Womöglich hatte man längst die Polizei angerufen. Ich fragte nach einem Internetzugang. Man wies mich in einen Raum mit zwei Computern. »Aber das Internet hat den ganzen Tag nicht funktioniert.«
    Mit dem Internet-Explorer gab es, abgesehen davon, dass er sehr langsam war, jedoch kein Problem. Ich hatte schnell herausgefunden, dass die beiden Abendzeitungen Edinburgh Evening News und Evening Image dem Groschenkamp-Konzern gehörten. Aber bedeutete das was? Ihm gehörten weit mehr Zeitungen als diese beiden. Ich linkte mich auf die Online-Seite vom Evening Image . Dort behandelten sie neben dem Internetchaos des heutigen Tages mit vielen spektakulären Bildern unter dem Titel »Das Wunder von Abington« auch das gestrige Flugzeugunglück. Es gab Fotos von Fluggästen, wie sie von der Autobahn den Hang hinaufkrabbelten.
    Ich stutzte. Diese Fotos konnte es nicht geben, weil zu diesem Zeitpunkt kurz nach unserer Bruchlandung noch keine Presse auf der Autobahn gewesen war. Sie mussten nachgestellt oder von einem anderen, ähnlichen Ereignis geklaut worden sein. Oder sie hatten die Bilder einem der Passagiere abgekauft, der mit dem Handy Fotos geschossen hatte. In der Bildergalerie fand sich kein einziges Fotos, auf dem Richard, Derya oder ich zu sehen waren.
    In den Triebwerken, hieß es, habe man die typischen geschmolzenen Ablagerungen von Vulkanasche gefunden. Sie stammten, so die Mutmaßung, von dem isländischen Vulkan Grímsvötn, der vor anderthalb Wochen ausgebrochen und einige Tage lang Asche in die Luft gepufft hatte.
    Ich klickte mich zur Schottland-Seite des Blatts in den Artikel über das Methan und die Leichen in den Gewölben unter der Südbrücke von Edinburgh. Er war um 19 Uhr 21 aktualisiert worden. Demnach waren tatsächlich zwei Leichen aus dem Brunnen gezogen und zur Identifikation und Klärung der

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