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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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In nassen Hosen und Schuhen 34 Meilen oder elf Stunden über die Insel nach Craignure wandern? Daran mochte niemand denken.
    »Da müssen wir wohl schauen«, sagte Finley, »ob wir im Ort jetzt noch ein Bett finden.«
    Es war noch nicht Mitternacht. Das Projekt schien durchführbar. Wir wandten uns bergan. Die Haupt- und Landstraße von Fionnphort war nur auf einer Seite bebaut. Wir passierten den Ferry Shop und das Seaview mit Bed & Breakfast, das, wie eine rote Tafel zeigte, ausgebucht war. Ein Törchen weiter war die Tafel an der Mauer, die ein steiles weißes Haus umgab, grün.
    Derya, die oben herum noch am zivilsten aussah, wurde vorgeschickt und klingelte. Nach einer guten Weile öffnete eine bunte Person von immensem Umfang, den der Brite mit »large« umschrieb, und enormer Freundlichkeit. Sie redete und lächelte, stellte sich uns als Heather vor, bat uns herein, schlug über unseren Zustand die Hände zusammen und erklärte uns erst dann mit Bedauern, sie habe nur ein einziges Doppelzimmer.
    Ich und Derya in einem Zimmer? Geht gar nicht. Aversionen schossen empor. Und Derya und Richard beisammen? Nur über meine Leiche.
    »Aber«, schlug Heather vor, »ich könnte eine Klappliege hineinstellen. Und einer von Ihnen könnte auf dem Sofa schlafen.«
    Zuerst aber zeigte sie uns den Trockenraum, wo wir unsere nassen Klamotten aufhängen konnten. Im Zimmer, in das sie uns dann hinaufführte, glühten und blühten Chintz und Chiffon. Das Bett war groß und sah abgrundtief weich aus. Das Sofa war nur zwei Sitzplätze lang, und die Liege, die Heather brachte, versperrte, nachdem sie aufgestellt war, den Weg zur Tür. Aber es war warm. Mit freundlichsten Wünschen für eine gute Nacht und der Information, dass es um acht Frühstück gebe, ließ Heather uns allein.
    Oje!
    Wir hätten eigentlich nur ein bisschen lachen müssen und uns dann zu viert aufs Bett legen können. Aber dazu waren gerade zu viele Stacheln aufgestellt. Allein, wer machte den Anfang und zog sich vor allen anderen die nassen Hosen runter? Finley bot an, sich aufs Sofa zu legen, aber das war bei seiner Länge Tierquälerei. Uns Damen das Bett anzubieten war auch keine Lösung. Derya bekam Pickel bei der Vorstellung, neben meiner Unberechenbarkeit im Bett zu liegen. Und alle ahnten, dass ich ihr und Richard das Bett nicht kampflos überlassen würde. Richard wusste zudem, dass ich ein Messer in der Jackentasche hatte. Vernunft regierte gerade nicht zwischen uns, aber müde waren wir auch. Ich entschloss mich zu einer Geste von Größe im Verzicht und sagte: »Ich nehme das Sofa.« Das eröffnete Derya die Möglichkeit, die Liege für sich zu reklamieren, die ihr zudem reichlich Privatsphäre gestattete. Und die Männer konnten im Bett versinken. Sie hatten keinen Grund, heikel zu sein.
    Derya, die sich um nichts in der Welt vor uns ausgezogen hätte, fand das Badezimmer und kam mit einem Morgenmantel wieder, der dort gehangen hatte. Nachdem sie unter der Decke lag, kam Richard dran, dann ich. Finley brachte schließlich unsere nassen Sachen hinunter in den Trockenraum. Und endlich konnten wir das Licht ausmachen.
    Finley schlief zweifellos prächtig, denn er schnarchte ordentlich. Derya atmete nicht und raschelte nur hin und wieder. Richard hörte man gar nicht. Ich war sicher, ich würde nicht schlafen können, wachte dann aber mit steifem Hals und schmerzenden Gliedern doch erst bei Tageslicht aus dem Koma auf. Es war halb acht.
    Finley und Richard waren nicht mehr im Zimmer, auch Cipión fehlte. Auf dem Bett lagen meine und Deryas knittrig getrocknete Sachen. Sie war dabei, sich anzuziehen.
    Vorwurfsvolles Herumschweigen und Abneigung Demonstrieren ist nicht mein Ding. Wer den Mund zumacht, muss ihn auch wieder aufmachen. Und ich machte ihn auf, sagte »Guten Morgen« und bot Derya einen meiner in Edinburgh im Dreierpack gekauften Slips an, die immer noch in der Innentasche meiner Bikerjacke steckten und in ihrer Plastikhülle trocken geblieben waren.
    Sie lächelte erleichtert und ging ins Badezimmer. Womit dieses für mich nun besetzt war. Ich schlüpfte in die knochentrockenen, aber salzig rauen Jeans und den Hoody, ging hinunter, wünschte Heather, die in einer winzigen Küche stand und rund um ihren Leib herum auf mehreren Gasflammen und Küchengeräten brutzelte, toastete und sott, einen guten Morgen und trat vors Haus.
    Es war ein frischer heller Tag angebrochen, der Himmel zeigte hellblaue Stellen. Der Wind kam von der See her, Möwen

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