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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Bedürfnissen haben damit die Chance bekommen, über die künstlerische Auseinandersetzung mit ihnen scheinbar vertrauten Dingen einen ganz neuen Blick auf ihre Umwelt und ihr Leben zu gewinnen. Ich bin immer noch ganz fasziniert von den absolut einzigartigen Stücken, die bei dieser Aktion entstanden sind. Jeder einzelne Stuhl ist zu einer Persönlichkeit geworden, hat durch Farbe und Verfremdungen eine Seele bekommen. Dieser hier ist als Einziger übrig geblieben. Die anderen haben wir bei einer Kunstauktion zugunsten des Vereins versteigern können.«
    Stühle haben eine Seele? Hatte Lisa nicht erzählt, dass ihr Trödelhändler so was Ähnliches behauptet hatte? Frank wollte zum Thema zurück. »Und das alles hat Volker Radermacher initiiert?«
    »Ja, Herr Kommissar. Er ist unglaublich kreativ.«
    »Wo ist Volker Radermacher?«, fragte Frank.
    Die unvermittelte Frage ließ Barbara Kemmerlings Augen zucken.
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Er hat keinen Urlaub genommen?«
    Ihr »Nein« kam eine Spur zu zögerlich.
    »Dann müssen Sie ihn doch vermissen?«
    »Ich mache mir Sorgen, ja. Vor allem weil ich nicht weiß, wie ich die Lücke im Dienstplan schließen soll. Wir haben nämlich nur eine äußerst dünne Personaldecke.«
    »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesprochen?«
    »Verdächtigen Sie ihn etwa?«
    »Wir haben ein paar Fragen an ihn. Das ist alles. Dass er verschwunden ist, wirft allerdings kein günstiges Licht auf ihn.«
    »Volker hat mit dem Tod von Elvira nichts zu tun.«
    »Wie können Sie sich da so sicher sein?«
    Barbara Kemmerling ließ ihre Halskette los und legte die Hände in den Schoß. »Ich weiß es einfach.«
    »Menschen haben oft eine zweite Identität hinter ihrem offiziellen Leben.« Ecki machte sich Notizen.
    »Verschonen Sie mich mit Ihrer Küchenpsychologie! Wenn Volker Probleme gehabt hätte, hätten wir das als Erste erfahren. Unsere Supervision ist ausgezeichnet. Wir lassen unsere Mitarbeiter bei Problemen nicht im Stich. Wir sind dazu verpflichtet, zuzuhören und zu helfen, allein schon aus Verantwortung unseren Bewohnern gegenüber.«
    Frank stand auf. »Vielen Dank, dass Sie uns Ihre wertvolle Zeit geschenkt haben. Für heute haben wir genug erfahren.« Er deutete auf den roten Stuhl. »Sie sagten, er sei Teil eines Kunstprojekts, wer ist denn der Künstler?«
    Die Vorsitzende des Vereins Schmetterling antwortete, ohne auf den Stuhl zu schauen. »Den hat Volker selbst gemacht. Nach der Finissage hat er ihn mir geschenkt. Er versteht ihn als Mahnung an die Zerbrechlichkeit allen Seins.«
    Heinz-Jürgen Schrievers schnaufte. Schweiß lief ihm über das Gesicht und brannte in seinen Augen. Das rote T - S hirt klebte auf seiner Haut. Er war froh, dass er trotz des warmen Wetters eine lange Trainingshose trug und seine Oberschenkel nicht direkt gegeneinanderrieben. Er hätte sich sonst unweigerlich einen Wolf gelaufen.
    An diesem Nachmittag waren nur wenige Jogger oder Walker am Schloss Rheydt unterwegs, dazu ein paar Rentner, die sich die Zeit bis zum Kaffeetrinken mit einer gemächlichen Runde um das Renaissanceschloss vertrieben.
    Der Archivar war stolz auf sich: Zehn Kilo hatte er bereits abgespeckt. Der Betriebsarzt würde bei der nächsten Untersuchung beeindruckt sein. Deutlich unter hundert Kilo wollte er kommen. Ein beschwerlicher Weg, aber er war froh, dass Gertrud ihn jeden Tag lobte und animierte, nur ja nicht nachzulassen.
    Schrievers passierte mit kräftigem Schritt eine jüngere Frau, die ihm mit wippendem Pferdeschwanz gemächlich joggend entgegenkam. Auch sie hatte Stöpsel in den Ohren, ihren weißen ipod hatte sie mit einem Klettband an ihren schlanken Oberarm befestigt. Sie nickte ihm lächelnd zu.
    Er streckte sich und schwang seine Walkingstöcke die nächsten Meter noch ein bisschen kräftiger. Es tat gut, als ernst zu nehmender Sportler wahrgenommen zu werden. Er war versucht, sich nach der dunkelblonden Frau umzudrehen, ließ es aber. Vielleicht begegneten sie sich auf der nächsten Runde noch einmal.
    Heinz-Jürgen Schrievers konzentrierte sich auf die Koordination seiner Arm- und Beinbewegungen. Er versuchte, die Walkingstöcke möglichst fließend einzusetzen. Die gleichmäßigen Bewegungen hatten zusammen mit der Entspannungsmusik aus seinem MP 3-Player etwas Meditatives.
    Es stimmte, was Gertrud ihm aus ihrer Apothekenzeitung vorgelesen hatte: Nordic Walking stimulierte und brachte Körper und Geist in Einklang. Zunächst hatte er über diesen Satz

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