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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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die offenen Schränke und ausgeräumten Bücherregale. »Wir sind gleich so weit.«
    »Ist was dabei?« Frank trat in das Wohnzimmer des Sozialarbeiters und sah einer Kollegin zu, die Zeitschriften und Bücher in Kartons packte.
    Ecki zuckte mit den Schultern. »Wir haben gebrannte CD s und DVD s gefunden. Jede Menge Schriftkram, Aufzeichnungen und handschriftliche Notizen. Wir werden sehen.«
    »Nehmt auch den Rechner mit.«
    »Es gibt keinen, Radermacher hat seinen Laptop mitgenommen.«
    Frank sah sich in der Wohnung um. Ein paar alte Möbel, IKEA -Regale, eine schmale Küche, ein großer Schreibtisch im Wohnzimmer, das ansonsten dominiert wurde von zwei großen schwarzen Boxen und einer teuren Hi-Fi-Anlage. Die Regale waren vollgepackt mit CD s, Büchern und Ordnern. Frank trat an eines der Regale und las die Buchtitel. Das meiste waren Sachbücher. Er nahm eines der Bücher in die Hand: Die Psychologie sexueller Leidenschaft . Er blätterte durch die Seiten und stellte es an seinen Platz zurück. Das Buch gehörte nicht unbedingt zur typischen Fachliteratur eines Sozialarbeiters, eher zu jemandem, der auf der Suche nach sich selbst war.
    Frank fiel auf, dass die grauen Ordner alle nach dem gleichen Muster beschriftet waren. Er zog einen Ordner heraus. In ihm waren Artikel aus Fachblättern abgeheftet, viele Seiten mit handschriftlichen Bemerkungen versehen, ganze Textteile akkurat unterstrichen. Radermacher schien großen Wert auf Ordnung zu legen.
    »Verstehst du was von dem Zeug?« Ecki war Frank gefolgt und nahm ebenfalls einen Ordner aus dem Regal.
    Frank blätterte in dem Ordner. »Unvollkommene Gerechtigkeit, oder hier: Das Unvollkommene und das Neue. Das Scheitern in der Kunst. Die Ästhetik des Kaputten.« Frank schüttelte den Kopf. »Darum sollen sich mal unsere Spezialisten kümmern.« Frank wandte sich an eine Kollegin in Uniform, die gerade mit einem leeren Karton den Raum betrat, und deutete auf das Regal. »Das Zeug kommt auch mit.«
    Die Polizeikommissarin hob die Augenbrauen, als sie die Menge der Ordner sah. »Alles?«
    Frank reichte ihr seinen Ordner. »Alles.«
    Ecki grinste die Kollegin an. »Ich helfe gerne tragen.«
    »Nee, nee. Geht schon. Wir sind fürs Grobe da, und ihr tragt die Verantwortung.«
    »Ich habe bisher gedacht, Sozialarbeiter sind eher Typen mit einem gewissen Hang zur Unordnung. Wenn ich mich hier umsehe, habe ich eher das Gefühl, mich in einer keimfreien Zone zu bewegen. Unglaublich, hier gibt es ja noch nicht mal Wollmäuse unterm Bett. Das kann doch nicht gesund sein.«
    Der frisch ernannte Leiter der KTU stand in der Tür und musterte interessiert die Rückenansicht der jungen Beamtin, die in gebückter Haltung Ordner für Ordner vom untersten Regalboden nahm.
    »Dein ästhetisches Empfinden passt exakt zu Radermachers Themen.« Ecki deutete auf das Regal. »Du hast schon lange nicht mehr so geschwollen dahergeredet, Linder.«
    Torsten Linder zuckte mit den Schultern und deutete in die Runde. »Wenn du dreifacher Familienvater wärst, dann würde dir so eine sterile Umgebung auch fremd vorkommen.«
    Die junge Beamtin richtete sich auf. »Die Wohnung gehört doch einem Sozialarbeiter, oder?«
    Frank und Ecki nickten.
    »Also, wenn ich den ganzen Tag mit Behinderten zu tun hätte, ständig Stress und Chaos um mich rum hätte, dann wäre ich froh, wenn ich abends in meine Wohnung zurück könnte, in der es kein Chaos gibt. Ich kann total verstehen, dass es hier so aussieht.« Die dunkelhaarige Beamtin blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Behinderte sind also Chaoten?« Frank runzelte die Stirn.
    »Das … das habe ich so nicht gesagt.« Sie stotterte. »Ich habe nichts gegen Behinderte, ehrlich. In meiner Verwandtschaft hatten, nein, haben wir auch zwei Behinderte, also körperlich Behinderte. Die müssen intensiv gepflegt werden. Also.«
    »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen.« Ecki sah, wie peinlich der jungen Frau Franks Frage war.
    »Also, ich bring dann mal den Karton raus.«
     
    —
     
    Horst ist lieb. Horst ist mein Freund. Horst macht Musik. Ich mache auch Musik. Hörst du? Meine Mundharmonika ist mein Schatz. Ich bin traurig. Wo ist Mama? Mama muss mir helfen. Ich will den Gürtel nicht. Er tut weh. Ich will kein Schmetterling sein. Schmetterlinge tun weh. Sie haben so schöne Farben. Sie sind Musik. Sie schweben. Ich kann auch schweben. Wo ist meine Mama? Mama ist im Himmel. Wie sieht der Himmel aus? Was ist hinter den Wolken? Schmetterlinge

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