Totenstimmung
den Tisch, dass die Harps aus ihrer Ordnung sprangen.
Radermacher zuckte zusammen. Das Licht. Das grelle Deckenlicht machte ihn schier wahnsinnig.
»Wir werden beweisen, dass Sie diese Harps gekauft haben.«
»Wie soll das gehen?« Radermacher konzentrierte sich erneut auf die schmalen Instrumente. Ihre Deckel glitzerten.
»Wir werten derzeit die Daten der Hersteller aus. Ein aufwendiges Verfahren, aber ich bin sicher, dass wir in den Bestell-, Bestätigungs- und Liefermails Ihre Adresse finden werden oder die Kennnummer Ihres PC s. Wenn Sie Spuren im Netz hinterlassen haben, werden wir sie finden.«
»Ich habe keine Bluesharps im Internet bestellt. Ich kann gar nicht gut genug spielen, als dass ich mir diese Dinger anschaffen würde. Gut, ich habe vor Jahren mal versucht, auf einer Harp zu spielen, wie man das schon mal macht, wenn einen die Töne faszinieren, die richtige Bluesmusiker darauf spielen können. Aber ich habe das Ganze schnell aufgegeben. Ich habe wohl kein Talent.«
»Wir haben Beamte im Einsatz, die jede Musikalienhandlung mit einem Foto von Ihnen abklappern.«
»Zeitverschwendung.« Der Sozialarbeiter ordnete die Mundharmonikas neu und richtete sie exakt an einer imaginären Linie aus. »Ich könnte jetzt doch einen Kaffee vertragen.« Radermacher betrachtete zufrieden das Ergebnis seiner Bemühungen.
»Ein Kollege wird Ihnen gleich einen Becher bringen.« Frank nickte in Richtung der verspiegelten Glasscheibe. Er wusste Ecki auf der anderen Seite und dazu noch Rüdiger Bittner, der sich von der KTU zur MK hatte abordnen lassen.
»Hören Sie, Ihre Bemühungen in allen Ehren«, Radermacher versuchte einen ironischen Tonfall zu vermeiden und hielt seinen Blick auf die Mundharmonikas gerichtet, »ich habe mit der Sache nichts zu tun. Der Tod von Elvira ist schrecklich. Ich leide darunter wie ein Hund, das müssen Sie mir glauben. Sie war ein so liebenswerter Mensch.«
»Und warum können Sie mir das nicht ins Gesicht sagen?« Frank fühlte sich so müde und ausgelaugt wie nach einem Zehn-Kilometer-Lauf um Schloss Rheydt.
»Ich bin unschuldig.«
Radermachers Augen brannten sich in Franks Gesicht. Erstaunt musste er feststellen, dass er dem Blick nur mit Mühe standhalten konnte.
Die Tür wurde geöffnet, und Bittner stellte grußlos zwei Becher Kaffee auf den Tisch. Im Hinausgehen sah er Frank fragend an. Frank ließ den Blick unbeantwortet. Was hätte er seinem Kollegen auch sagen können?
»Wir sind mit der Befragung noch nicht fertig. Lassen wir die Bluesharps für einen Augenblick beiseite. Es gibt noch ein schwerwiegendes Indiz.«
Der Sozialarbeiter hob erstaunt eine Augenbraue.
»Das Skalpell.«
Radermacher lachte erstaunt auf. Mit diesem Themenwechsel hatte er nicht gerechnet. »Ein Skalpell? Welches Skalpell?«
»Wir haben die Finger einer noch unbekannten Frau mit Down-Syndrom. Sie wurden fachmännisch abgetrennt. Der Täter muss medizinische Fachkenntnisse haben, meint der Pathologe. Die Frau war bereits tot, als man ihre Finger amputierte.«
Volker Radermacher verstand nicht.
»Skalpell. Klingelt da nichts? Sie haben im Krankenhaus gearbeitet. Muss ich noch mehr sagen?«
Radermacher war entsetzt. »Also, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Dass Sie sauber amputierte Finger in einem Kühlfach liegen haben, bringt Sie messerscharf auf die Idee, dass ich auch dafür verantwortlich bin? Ich fasse es nicht. Hören Sie«, er versuchte ruhig zu bleiben, »Skalpelle sind Massenware. Sie liegen in Krankenhäusern, in Arztpraxen und sonst wo rum. In allen möglichen Berufen werden Skalpelle gebraucht. Restauratoren brauchen scharfe Messer, die Dinger sind überall nützlich, zum Basteln, was weiß ich. Da wollen Sie mir doch nicht im Ernst unterschieben, dass nur ich Zugriff auf ein solches scharfes Messer gehabt haben kann.« Radermacher schüttelte ungläubig den Kopf, hob den Becher an den Mund und setzte ihn mit der gleichen Bewegung wieder ab. »Skalpelle werden in Kliniken zu Hunderten geklaut.«
»Wir warten noch auf das Ergebnis der DNA -Analyse, dann sehen wir weiter.«
»Sie werden keine Spuren finden. Ich habe niemandem die Finger abgeschnitten. Das Ganze ist doch krank.« Radermacher fasste sich an den Kopf und wandte seinen Blick ab.
»Wir haben uns übrigens nicht gewundert, bei Ihnen zu Hause kein Skalpell zu finden.«
Volker Radermacher richtete sich auf. »Ich möchte jetzt gerne gehen. Ich schätze, dass Sie keine weiteren Indizien haben, die es rechtfertigen
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