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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Wochenende mit ihm verbracht.
    »Die Ärzte wissen es nicht. Silvia kann ihnen auch nicht helfen. Sie versteht und spricht nur wenig. Ihr Akzent lässt darauf schließen, dass sie aus dem Ostblock stammt. Sie haben alle möglichen Sprachen ausprobiert. Auf Ukrainisch hat sie am besten angesprochen. Aber das heißt noch nichts.«
    »Dann hat Jasmin also doch recht?«
    »Vielleicht. Sie kann auch schon vor längerer Zeit zu uns gekommen sein.«
    »Macht ein Foto von ihr.« Frank wusste, dass die Anweisung überflüssig war.
    »Die Suche läuft schon. Vielleicht gibt es ein Heim oder eine Einrichtung in Deutschland, wo man Silvia kennt.« Ecki griff bereits nach der zweiten Nussschleife.
    »Jasmin soll mit dem Foto noch einmal ihre Kontakte abklappern.« Frank stützte seinen Arm auf die Tischplatte und rieb sich übers Gesicht. Er hatte Kopfschmerzen.
    »Müde?« Lisa strich ihm durchs Haar.
    Frank nickte.
    »Silvias Kleidung ist noch in der KTU . Bittner meint, dass die Sachen neu sind und irgendwo in Deutschland gekauft wurden. Sie könnte neu eingekleidet worden sein, um Spuren zu verwischen.« Ecki musterte erwartungsvoll den Zuckerguss des Teilchens.
    »Habt ihr den iPod schon ausgewertet?«
    Ecki biss ein Stück von der Nussschleife ab und nickte. »Ist eine merkwürdige Mischung drauf: klassische Musik, Brahms, Haydn, Chopin und Volksmusik. Jede Menge Schlager. Und Maria Callas.«
    »Und was hatte ›Jenny, Jenny‹ zu bedeuten?«
    Nun musste Ecki grinsen. »Ganz mein Fall.«
    »Nämlich?«
    » Jenny, Jenny heißt ein Song des Nockalm-Quintetts. Er ist auf dem Album Aus Tränen wird ein Schmetterling .«
    »Das ist alles?«
    »Soll ich dir die CD besorgen?«
    »Bloß nicht. Es sei denn, es ergäbe sich ein Bezug zu Silvia.«
    »Nee, nicht wirklich.« Ecki kaute konzentriert.
    »Hm, klassische Musik.« Frank zog die Stirn kraus. »Eine behinderte Frau hört klassische Musik. Was hat das zu bedeuten?« Er sah Lisa an.
    »Geistig Behinderte haben eine ganz eigene Art, Musik zu erleben. Sie empfinden sie anders als wir, nicht selten viel intensiver. Sie erleben Musik zum Beispiel durch Bewegung. Klassik und Behinderung schließen sich also nicht aus. Im Gegenteil. Die Literatur ist voller Beispiele dafür.«
    Frank nickte nachdenklich. »Was ist mit dem Gürtel?« Er hatte sich die Frage bewusst bis zuletzt aufgespart.
    Ecki räusperte sich. »Du hast Glück gehabt. Silvia hatte zehn Kilo Sprengstoff auf den Bauch gebunden, gemischt mit Nägeln und Metallresten.« Er wich Franks Blick aus.
    »Wo kommt der Sprengstoff her?« Frank hatte das Bild vor Augen, wie sein Körper in Stücke gerissen wird. Er versuchte vergeblich, das Zittern zu unterdrücken. »Warum hat sie nicht auf den Knopf gedrückt?«
    Ecki hob die Schultern. »Wir haben versucht, mit ihr darüber zu sprechen. Aber das hat keinen Zweck, sagen die Ärzte. Sie wird Zeit brauchen. Ich bezweifle, dass sie weiß, was sie hätte tun sollen. Ich glaube, wir werden nie erfahren, warum sie nicht auf den Knopf gedrückt hat.«
    »Sie muss uns sagen, wer sie präpariert hat.«
    »Ich glaube nicht, dass sie begreift, was um sie herum passiert ist.«
    »Wir müssen es wenigstens versuchen!«
    Lisa legte eine Hand auf seinen Arm. »Du musst ihr Zeit geben – und dir.«
    »Wir haben aber keine Zeit. Wer weiß, wann die nächste lebende Bombe durch die Stadt läuft!«
    »Das BKA prüft gerade die Qualität des Sprengstoffs und die Bauart des Gürtels.«
    »Dann suchen wir also doch einen Technikfreak.«
    »Mit ein bisschen Geschick findest du die Bauanleitung für solche Gürtel im Internet. Ich habe Fotos gesehen: dicke Stangen nebeneinander, verdrahtet und mit Klebeband fest verbunden, dazu Bauch- und Schulterriemen für den perfekten Sitz; unter einem weiten Umhang oder einem großen Sweatshirt leicht zu verstecken.«
    Lisa bekam eine Gänsehaut. Sie spürte förmlich das Gewicht so eines todbringenden Gürtels auf ihrem Körper. »Wie kann man so etwas nur erfinden?«
    »Es geht noch schlimmer.« Ecki räusperte sich. »In Afghanistan werden sogar Kinder als lebende Sprengfallen benutzt. Die Taliban schicken mit Vorliebe geistig Behinderte in den Tod.«
    »Diese Menschen werden benutzt, ohne dass sie etwas ahnen? Ist das widerlich.« Lisas Gänsehaut wurde stärker.
    Ecki nickte und legte den Rest der Nussschleife beiseite. Ihm war der Appetit vergangen.
    »Vielleicht suchen wir ja einen durchgeknallten Soldaten. Jemanden, den die Erlebnisse an der Front

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