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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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zählte sie neben einem schlammverkrusteten Mountainbike rückwärts von hundert bis null. Tränen strömten ihr übers Gesicht, während ihr Körper von harten Schluchzern geschüttelt wurde. Die warme Hand auf ihrer Schulter kam völlig unerwartet. Sie wurde starr, wagte kaum zu atmen, hatte Angst, dass es eine von Vanessas Sklavinnen war.
    »Marie, wein doch nicht«, sagte eine leise Jungenstimme. »Diese blöden Hühner sind doch so was von bescheuert! Niemand mag sie wirklich. Hey und Vanessa ist schlimmer als die Pest, sie ist wie … wie …«
    Marie hatte gespannt gewartet, während Luis theatralisch nach Worten rang. »Vanessa ist wie starke Cellulitis.«
    Marie musste lachen und drehte sich um. Luis stand vor ihr und sein Grinsen war so ansteckend, dass es Marie auf einmal nicht mehr peinlich war, beim Heulen erwischt worden zu sein.
    »Stell dir Vanessa ab sofort einfach als sprechenden, fetten, schwabbeligen Oberschenkel mit Augen drin vor – so wie Bernd das Brot oder Spongebob.«
    »Und du glaubst, das hilft?«
    »Na klar, probier’s wenigstens mal aus, okay?«
    Marie versprach es, erwartete aber nicht, dass es auch funktionieren würde. Doch noch am selben Tag knöpfte sich Vanessa zusammen mit ihrer Gang Marie wieder vor. Diesmal ging es darum, warum wohl so eine Loserin wie Marie nicht bei den Lokalisten war: weil sie schließlich keine Freunde hatte und auch niemals welche finden würde …
    Marie wollte gerade wieder den Kopf senken und alles über sich ergehen lassen, als sie plötzlich ein Stück weiter weg Luis stehen sah, der ihr zuzwinkerte. Das half ihr ungemein dabei, Vanessas hübsches Gesicht in einen schwabbelnden Oberschenkel zu verwandeln, ja, es gelang ihr sogar so gut, dass sie grinsen musste.
    Und von diesem Moment an schaffte sie es jedes Mal immer besser. Schließlich prallten Vanessas Gemeinheiten an Marie ab, als wäre sie von einem unsichtbaren Schutz umhüllt. Die Vorstellung von dem wabbelnden Schenkel wirkte wie ein Zauberspruch, der ihre Ohren komplett abdichtete.
    Ich hätte wissen müssen, dass Vanessa diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen wird, dachte Marie. Aber wie hätte ich jemals darauf kommen sollen, dass jemand mein Ich stehlen und anderen in meinem Namen damit Schmerz zufügen könnte?
    »Und, was ist denn jetzt?«, fragte Lina, die plötzlich tropfnass vor Marie stand und sich vor ihr schüttelte. »Kommst du jetzt auch endlich rein oder was? Eigentlich müsstest du dich doch hier sehr wohlfühlen.«
    Was sollte das denn jetzt wieder heißen?
    »Dieses Bild müsste dir doch sehr bekannt vorkommen, oder?« Lina zeigte auf die Fototapete und strich ihre klitschnassen Haare zurück.
    »Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst, aber wir müssen unbedingt über deinen Bruder sprechen.« Marie gab sich Mühe, energisch zu klingen.
    Sie hätte es merken müssen. Hätte merken müssen, dass irgendwas nicht stimmte – vor allem als Luis anfing, Blickkontakt mit ihr zu suchen. Hätte stärker darauf achten müssen, wie die anderen bei ihrem Anblick reagierten. Sie hätte Luis ganz konkret fragen sollen, warum er sie so komisch von der Seite anguckte. Stattdessen hatte sie wie immer einfach den Kopf in den Sand gesteckt. Und wenn sie nicht mal wieder heulend auf dem Mädchenklo gesessen hätte, würde sie bis heute nicht wissen, was für ein superfieses Spiel Vanessa da mit ihr und Luis getrieben hat. Die kichernden, schadenfrohen Stimmen von Vanessa und ihrer Gang verursachten ihr noch immer Übelkeit, wenn sie nur daran dachte.
    »Ich find’s gut, wenn wir über meinen Bruder reden, aber jetzt komm mit ins Wasser, das ist doch wesentlich entspannter.« Lina stieg wieder in den Pool und schwamm ein paar Züge, dann winkte sie Marie. »Hey, Trauerkloß, komm schon rein.«
    Marie überlegte. Würde Lina ihr besser zuhören, wenn sie ihrer Bitte nachgeben würde, oder sollte sie lieber hier warten, bis Lina es satthatte, allein zu schwimmen?
    Was auch immer, sie musste endlich den Mut finden, mit ihr zu reden, auch deshalb war sie hergekommen. Sie setzte sich auf. Mist, ihr war noch immer ziemlich schwindelig, die Palmen und die Sonnenschirme auf dem Foto begannen, sich sofort um sie herumzudrehen. »Ich möchte aber nicht.«
    »Luis liebt tauchen!«, sagte Lina und ihre Augen glitzerten begeistert.
    »Luis wird bald wieder aufwachen, oder?«
    »Jetzt nerv nicht und komm schon rein.« Lina patschte neben sich auf die Wasseroberfläche.
    »Ich hab keine Lust auf

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