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Totentaenze

Totentaenze

Titel: Totentaenze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian , Krystyna Kuhn , Manuela Martini , Susanne Mischke
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Stückchen weg und mustert mich.
    »Albträume«, flüstere ich. Aber ich war da, ich, da. Direkt dort, gar nicht wie in einem Traum, und es war auch so, als wüsste ich schon, was als Nächstes passieren wird.
    »Die Ärzte sagen, das ist völlig normal.« Mama nickt mir aufmunternd zu. »Die meisten Menschen, die aus einem Koma aufwachen, haben beängstigende Träume.«
    Ich weiß, sie meint das jetzt als Aufforderung, sie möchte, dass ich ihr sage, was ich geträumt habe, aber das kann ich nicht. Solange ich nicht weiß, was es zu bedeuten hat. Außerdem hat sie schwarze Ringe unter den Augen, und wenn sie lächelt, sieht sie nicht glücklich, sondern unendlich müde aus. Sie hat sich bestimmt endlos viele Sorgen gemacht, ob ich wieder gesund werde, also überlege ich, was ich erzählen könnte, um sie aufzuheitern.
    »Da bin ich aber froh, dass das normal ist. Weißt du, ich habe geträumt, dass ich eine eigene Fernsehshow bei ProSieben habe, zusammen mit einem sprechenden Orang-Utan.«
    Sie lächelt ein bisschen fröhlicher. »Mir scheint, du bist auf dem Weg der Besserung. Das ist gut, denn jetzt kommt gleich ein Physiotherapeut, der ein bisschen mit dir herumgehen wird.«
    »Aber ich bin viel zu müde.«
    »Das ist auch normal. Ich finde es natürlich wunderbar, dass du schon wieder Witze machen kannst. Tatsächlich ist es so, dass deine Erinnerungen auch als Träume zurückkommen können. Auf alle Fälle habe ich mich um eine Psychologin gekümmert, mit der du dich darüber unterhalten kannst, wenn du willst.«
    Und bevor ich protestieren kann, steht ein junger Typ vor uns, behauptet, er wäre der Physiotherapeut, grinst mich an und redet davon, dass wir einen Spaziergang machen. Wir!
    Mama verabschiedet sich, um uns nicht zu stören.
    Es schockt mich ziemlich, wie schlapp und wacklig ich in den paar Tagen geworden bin. Außerdem ist der Gips, der mein komplettes rechtes Bein umhüllt, verdammt schwer. Nach ein paar Schritten bin ich schweißgebadet, will nur noch zurück in mein Bett.
    Und sobald ich das Kissen unter meinem Kopf spüre, fallen mir die Augen zu.
    Aber ich schlafe nicht, sondern sitze am Steuer eines Autos. Fahre durch die Dunkelheit, wundere mich, wo wohl der Lichtschalter ist, suche überall den Lichtschalter, gerate in Panik, man braucht Licht zum Fahren, schrecke zusammen, weil ich statt des Lichts die Scheibenwischanlage in Gang gesetzt habe. Wasser strömt über die Windschutzscheibe. Verdammt, wo geht das wieder aus? Das Wasser auf den Scheiben wird zu Tröpfchen, die Tröpfchen werden zu einem Umriss, werden zu Marie, die in wassergetränkten Kleidern dasteht und sich schüttelt wie ein nasser Hund und so wieder neue Tröpfchen auf die Autoscheibe spritzt. Ihre Augen sind weit offen vor Entsetzen.
    Ich muss das Licht finden und die Scheibenwischer abschalten! Endlich habe ich es geschafft, die Scheinwerfer leuchten auf und Marie ist verschwunden.
    Bösartig starren mich die kahlen Bäume an, die Sträucher sehen aus wie struppige Verbrecher, die nur auf einen Befehl warten, um sich auf mich zu stürzen und mich mit ihren Ästen zu zerfleischen. Weg mit dem Licht.
    Ich bin auf dem Waldparkplatz am See. Da sind sie.
    »Hey!«
    Ich brauche die Augen nicht aufzumachen, ich weiß auch so, wer das ist. Diesen Duft nach Labello und Heu, nach Bleistiften und Vanille, den verströmt nur Lina. Die beste Schwester des Universums.
    Ich öffne die Augen und starre sie an, als hätte ich sie noch nie gesehen. »Wer sind Sie?«, frage ich mit schleppender Stimme.
    Sie schaut mich so traurig an, als wäre sie fünf Jahre alt und hätte gerade entdeckt, dass ich die Glatze ihrer Puppe Amelie tätowiert habe.
    Das halte ich nicht aus.
    Also grinse ich sie an. »Sind Sie nicht diese berühmte … Heidi Klumpfuß?«
    Lina atmet erleichtert auf und macht Anstalten, mir einen freundschaftlichen Knuff zu geben, hält aber mitten in der Bewegung inne, als wäre ihr gerade eingefallen, dass ich aus kostbarem chinesischem Porzellan sei.
    »Depp, elendiger!«, sagt sie und holt sich den Besucherstuhl ans Bett. »Dann geht’s dir also besser, ja?«
    »Ich träume so wirres Zeug, von dem ich mir dann einbilde, ich hätte es echt erlebt.«
    Ich erzähle ihr von meiner Autofahrt, denn ich bin sicher, das wird sie zum Lachen bringen, schließlich weiß sie ja, wie viel Schiss ich vorm Autofahren habe.
    Aber Lina lacht nicht, sondern sie wird blass und erklärt mir dann, dass ich wirklich Papas Auto genommen habe

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