Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
Toten gesprochen.
    »Sieht ganz so aus, als hätten die Polizisten sich verlaufen«, sagte Dtui, als ihr auffiel, dass die Transporter noch nicht zurück waren. Siri hatte ihr seinen Verdacht hinsichtlich ihres Schicksals wohlweislich verschwiegen.
    Genosse Lit zeigte sich weitaus mitteilsamer. »Die Lakaien der Amerikaner kommen nicht wieder«, erklärte er ihr ganz nebenbei. Siri kannte die Schmähungen, mit denen die Partei die Funktionsträger des alten Regimes zu belegen pflegte, nur zu gut, doch Dtui hob bei den Worten des Sicherheitschefs verdutzt die Augenbrauen, als habe sie soeben eine ganz neue Seite an ihm entdeckt. Sie hätte sich nicht zu wundern brauchen. Ein Kader, der schon in so jungen Jahren in eine so wichtige Stellung aufgestiegen war, wusste genau, wie man sich möglichst elegant an der Parteilinie entlangbewegte. Eine Gratwanderung, die jederzeit mit einem tödlichen Absturz enden konnte.
    »Warum nicht?«, fragte Dtui.
    »Weil sie in ein Lager überstellt worden sind«, antwortete Lit.
    »Ach wirklich? Ich kann mich nicht entsinnen, dass sie heute Morgen mit Gepäck auf den Transporter gestiegen wären.«
    »Nein.«

    Offenbar glaubte Lit, der leidigen Fragerei mit diesem Nein ein jähes Ende gemacht zu haben, aber da kannte er Dtui schlecht.
    »Und warum sind sie ohne ihre Sachen überstellt worden?«
    Siri wusste, dass sie damit hart am Abgrund balancierte. Lit war den ganzen Tag von ausgesuchter Höflichkeit gewesen, doch auf solche Fragen reagierten treue Parteisoldaten wie er normalerweise höchst allergisch; sie waren keinen Widerspruch gewohnt.
    »Ich finde, wir sollten uns jetzt unserer Zementleiche zuwenden«, sagte der Doktor.
    Aber Lit ließ nicht locker. »Weil sie ihre Sachen da, wo sie jetzt sind, nicht mehr brauchen, Schwester Dtui.«
    »Keine Sachen?« Dtui stand am bröckelnden Rand der Klippe. »Keine Kleider? Keine Seife? Keine Andenken an daheim?«
    »Nein.«
    »Und warum nicht?« Plötzlich herrschte zwischen den beiden ein Vakuum.
    »Weil sie lernen müssen, ohne all das auszukommen.«
    »Ohne Kleider? Nachts ist es hier oben eisig kalt. Sie werden sich den Tod holen.«
    »Schon möglich. Aber wer nicht im Stande ist, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, wird ihnen früher oder später naturgemäß zum Opfer fallen.«
    Siri unternahm einen zweiten Versuch. »Ich finde, wir …«
    »Wie bitte? Anpassen? Was sollen sie denn machen? Sich über Nacht einen dichten Pelz wachsen lassen?« Sie hatte sich kopfüber in die Schlucht gestürzt und war rettungslos verloren.
    Lit richtete sich zu voller Sitzgröße auf und sagte laut:
»Wir sind keine Unmenschen, Genossin Dtui. Selbstverständlich versorgen wir sie mit einer Decke und einer einfachen Mahlzeit. Aber die ersten Tage im Seminar sind so eine Art Härtetest für die korrupten Lakaien der Amerikaner, die wie die Maden im Speck gelebt und die Massen ausgeblutet haben. Ihre eigenen Exzesse haben sie weich gemacht. Wir geben ihnen Gelegenheit, wertvolle Mitglieder dieser Gesellschaft zu werden.«
    »Durch Zwangsarbeit und Grausamkeit?«
    »Dtui!«, herrschte Siri sie an. Er wurde langsam wütend, nicht wegen ihrer Fragen, die er für durchaus berechtigt hielt, sondern weil sie nicht wusste, wann sie den Mund zu halten hatte.
    Lit ging zum Angriff über. »Leute wie Sie wollen einfach nicht begreifen.«
    »Leute wie ich? Und wer, bitte, sind ….«
    »Schluss jetzt!« Siri knallte seine Blechtasse auf den Tisch. Der Tee schwappte über den Rand und ergoss sich auf das lackierte Holz. »Das gilt für Sie beide. Ich bin keine vierhundert Kilometer gereist, um ideologische Grundsatzdiskussionen zu führen. Wir sind hier, um ein grausiges Verbrechen aufzuklären. Ein wenig mehr Disziplin, wenn ich bitten darf!«
    Derart in Rage hatte Dtui ihren Chef noch nie erlebt. Obwohl er vermutlich bluffte, wusste sie, dass sie die Grenzen des Erlaubten überschritten hatte. »’tschuldigung, Doc. Sie haben ja Recht.«
    Mit einem Seufzer der Erleichterung schilderte Siri den Zustand der Leiche und die Unregelmäßigkeiten, auf die sie bei der Obduktion gestoßen waren. Dtui schwieg.
    »Letztlich«, sagte Siri, »deutet alles darauf hin, dass der gute Mann erst angeschossen und dann, noch lebend, in
den nassen Zement getaucht wurde, bis er darin buchstäblich ertrank. Was ihn das Leben gekostet hat, war ohne Zweifel der Zement, auch wenn ihn die Schusswunde erheblich geschwächt haben dürfte. Die Kugel hat einen Lungenflügel

Weitere Kostenlose Bücher