Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
vollgepumpt. Ich habe keine natürliche Immunität, keine Kondition, kein Durchhaltevermögen.«
»Sie würden sich wundern, wie schnell sich Ihr Körper anpasst.«
»Nein. Das wäre mein sicherer Tod. Hundertprozentig. Hören Sie. Sobald er Ihren absurden Auftrag ausgeführt hat, kommt der Wachposten zurück. Was halten Sie davon, wenn Sie und ich eine kleine … Abmachung treffen?«
»Doch nicht etwa finanzieller Natur?«
»Ich verfüge über mehr Geld, als Sie sich überhaupt vorstellen können. Wenn Sie mich nach Thailand schaffen würden, könnte ich …«
»Und was sollte ich mit dem Geld anfangen?«
»Anfangen? Na, was wohl? Sich ein angenehmes Leben machen. Ihre Freiheit genießen.«
Siri lachte. »Mit Verlaub, aber in Ihrer mehr als misslichen Lage sind Sie nicht eben ein leuchtendes Beispiel für die Kombination von Reichtum und Freiheit. Trotzdem, den Versuch war es wert, mein Junge. Sie sind ganz anders als Ihr Vater.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Wir kennen uns. Wir haben eine ganze Nacht zusammen Reiswhisky getrunken und über Philosophie gesprochen. Ich bin in meinem Leben nicht allzu vielen königlichen Hoheiten begegnet, aber Ihr Vater hat mich tief beeindruckt. Im Gegensatz zu Ihnen schien er sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben.«
»Er ist ein Defätist.«
»Er ist ein Realist. Er war hier, nicht wahr? Und die Königin?«
»Sie wurden gestern Abend fortgebracht. Haben Sie das Zimmer gesehen, in dem sie hausen mussten? Entwürdigend. Wer weiß, was sie da draußen im Dschungel erwartet.«
»Sie haben Angst.«
»Seien Sie nicht albern.«
»Sie brauchen sich deswegen nicht zu schämen. Angst hilft uns zu überleben. Ich habe länger in Angst gelebt als in Ruhe und Frieden. Trotzdem stehe ich hier. Schlagen Sie sich diese albernen Fluchtgedanken aus dem Kopf, mein Junge. Damit helfen Sie weder sich selbst noch Ihrer Familie. Spielen Sie mit, und halten Sie sich an die Regeln. Suchen Sie sich einen hohen Baum, einen Baum, der sämtliche Staatsstreiche und Massaker der Geschichte überdauert hat. Heben Sie an seinem Fuß ein Loch aus,
und begraben Sie Ihren Stolz darin. Übergeben Sie diesem majestätischem Baum Ihr ganzes königliches Erbe, und dann fügen Sie sich ihrem Willen, und werden Sie zu einem einfachen, bescheidenen Menschen. Erdulden Sie die Erniedrigungen, die sie Ihnen zufügen werden, und imponieren Sie ihnen mit Ihrer Willenskraft. Beeindrucken Sie sie mit Ihrer Demut und Ergebenheit. Denn genau das werden der König und die Königin tun.«
»Das … das kann ich nicht.«
»Natürlich können Sie das. Und es wird eine tiefere und anhaltendere Wirkung zeitigen als all die Bravourstücke und Heldentaten, all das königliche Getue, das Sie im Sinn haben. Beweisen Sie ihnen, dass Sie ein Mensch mit Charakter sind. Denn das wird sie in Verlegenheit bringen. Für einen Tyrannen gibt es wenig Unerfreulicheres als einen Mann, der sich nicht schrecken lässt.«
Siri hob die Flasche auf. Der Kronprinz starrte mutlos vor sich hin. »Warum haben sie uns getrennt?«
»Um Ihren Willen zu brechen. Sie haben doch nicht wirklich davon getrunken, oder?«
»Die Flasche war leer.«
Siri lachte. »Sehen Sie? Sie sind doch ein findiges Bürschchen. Sie würden hundert Umerziehungslager überleben.«
Der Wachposten stürzte ins Zimmer. Er hielt die mit Lappen umwickelten Griffe des dampfenden Kochtopfs fest umklammert. Das gesamte Küchenpersonal folgte ihm auf dem Fuße.
»Fertig«, sagte die Wache. »Was soll ich damit machen?«
»Kippen Sie es in die Toilette«, antwortete Siri. »Oder, noch besser, kochen Sie uns darin zum Abendessen leckeres Gemüse.«
»Was? Aber Sie haben doch …«
»Wie es scheint, habe ich ein medizinisches Wunder vollbracht und den Prinzen wieder zum Leben erweckt. Wir werden ihn wohl doch nicht in Öl sieden müssen. Er erfreut sich bester Gesundheit.«
»Danke. Danke, Doc. Vielen Dank«, murmelte der Wachposten wohl an die hundert Mal. Der Dank galt selbstredend der Rettung seiner eigenen Haut. Das Wohlergehen seines königlichen Schützlings interessierte ihn nicht die Bohne.
Bevor Siri aus dem Zimmer ging, sah er die Bambus- klui auf dem Schreibtisch. »Ah, da haben wir sie ja, die Waffe, die uns seit unserer Ankunft solche Qualen bereitet. Kennen Sie nur die eine Melodie?«, fragte er.
»Und nicht einmal die beherrsche ich richtig.«
»Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, werden Sie die tausend Melodien des Dschungels spielen,
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