Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed

Titel: Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
Seite. Jetzt bin ich … jetzt sind wir – wie soll ich sagen? – Opportunisten. Schnorrer. Verstehst du? Wir warten auf Transporter und Konvois, die nicht allzu schwer bewacht sind, und fragen die guten Leute, ob sie uns nicht mit ein paar Kip aushelfen können. Wir lagen im Tal auf der Lauer, als du angeschlichen kamst und mich erschreckt hast. Verstehst du? Ich dachte, du wärst hinter uns her. Ich wusste ja nicht, dass du … so bist, wie du bist. Ehrenwort.«
    »K… kann ich jetzt gehen?«
    »Gehen? Wohin?«
    »Vientiane.«
    »Das ist aber verdammt weit.«
    »Ich hab’s versprochen.«
    »Also, ich weiß nicht, ob du das durchstehst, Bruder. Auch wenn die Wunde nicht entzündet ist. Du hast Schwein gehabt: Die Kugel war nicht besonders groß und hat deine Schulter glatt durchschlagen. Du hast geschrien wie am Spieß, als wir sie mit Benzin ausgewaschen haben, aber ich glaube, sie ist einigermaßen sauber. Es wird allerdings noch eine Weile wehtun.«
    »K… kann ich jetzt g… gehen?«
    Der Igel warf einen Blick über die Schulter und rief: »Er will gehen.«
    »Dann lass ihn gehen.«

    »Und wenn er unterwegs verreckt?«
    »Nicht dein Problem. Sobald er weg ist, bist du aus dem Schneider.«
    »Warum schlägst du dir diesen Karma-Schwachsinn nicht endlich aus dem Kopf?«, sagte ein anderer. »Du bist ein Bandit. Da kannst du das Nirwana so oder so abschreiben.«
    »Nein. Sag so was nicht.« Der Igel sah Geung flehentlich an und fragte noch einmal: »Vergibst du mir?«
    »Ja.«
    »Wirklich? Danke. Das werde ich dir nie vergessen.«
    Um seine Dankbarkeit unter Beweis zu stellen, packte der Igel Geung etwas Proviant ein und begleitete ihn ein paar Kilometer. Die Wirkung des Opiums, mit dem sie Geung betäubt hatten, ließ allmählich nach, und er verzog bei jedem Schritt das Gesicht. Bald bahnten sie sich einen Weg durch dichte Vegetation, wo es von Tieren und Insekten nur so wimmelte. Eidechsen flitzten vor ihnen davon, und Eichhörnchen entschwanden in sichere Höhen.
    »Wo ist die St… St… Straße?«, fragte Geung.
    »Straße? Du brauchst keine Straße. Ich dachte, ihr seid wie die Hunde und folgt einfach eurer Nase.«
    Geung sah ihn entrüstet an. »Ich … ich bin kein Hund.«
    »Jaja. Schon gut.«
    »Ich bin kein Hund.« Geung lief vor Wut und Empörung rot an.
    »War nicht so gemeint. Meine Güte. Tut mir leid. Pass auf. Wenn du der Straße folgst, ist das ein Umweg von mindestens hundert Kilometern. Verstehst du? Das Ding schlängelt sich kreuz und quer durch die Landschaft. Sieh einfach zu, dass dir die Sonne vormittags auf die linke und
nachmittags auf die rechte Schulter scheint. Sonst marschierst du am Ende noch im Kreis.«
    »Ich bin kein Hund.«
    »Ich hab’s kapiert. Hast du mir überhaupt zugehört?«
    »Ich, äh … nein.«
    Sie gingen weiter, doch es dauerte noch einmal zwanzig Minuten, bis Geung dem Igel seinen Ausrutscher verzieh. Dass er versehentlich auf ihn geschossen hatte, geschenkt. Aber ihn einen Hund zu nennen, das ging eindeutig zu weit. Inzwischen hatte sein Begleiter sich überlegt, wie er ihm die Anweisungen am besten verständlich machen konnte. Geungs Proviant steckte in einer Umhängetasche aus Stoff mit langem Schulterriemen. Da sich die Schusswunde an seiner rechten Schulter befand, schlang er Geung den Riemen über die linke Schulter, sodass die Tasche an seiner rechten Hüfte ruhte. Er erklärte ihm, die Sonne müsse ihm morgens den Rücken hinauf- und nachmittags den Bauch wieder hinunterwandern. Er hatte sich dazu ein kleines Liedchen ausgedacht, das sich sogar reimte: »Geht die Sonne morgens auf/Rutscht sie mir den Buckel rauf/ Und abends sinkt vom Scheitel/sie mir in den Beutel.«
    Sie hatten es wohl an die tausend Mal gesungen, als sie am Fuß des Kuang-Si-Wasserfalls eintrafen. Der Igel wusste immer noch nicht recht, ob Geung verstanden hatte, was er ihm begreiflich machen wollte, auch wenn er das Lied inzwischen auswendig kannte. Er füllte eine Feldflasche mit Wasser aus dem klaren Bach und steckte sie in die Tasche zu dem gestohlenen Proviant und dem kleinen Opiumvorrat, der Geungs Schmerzen lindern sollte, falls sich die Schulter meldete. Er nahm Geung das Versprechen ab, nicht alles Opium auf einmal zu schlucken, worauf Geung empört erwiderte, er sei nicht dumm.

    »Nein, woher denn«, sagte der Igel, machte kehrt und überließ Geung sich selbst. »Folge einfach dem Fußweg«, sagte er. Zwar glaubte er kaum, dass Geung es nach Vientiane schaffen würde,

Weitere Kostenlose Bücher