Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
Landes zu überzeugen. Er wollte eine Woche bleiben, die Bücher prüfen und danach die Heimreise antreten. Eigentlich nichts Besonderes, doch der Kubaner war ein aufmerksamer Mann und kannte sich mit den Palo-Bräuchen recht gut aus. Gleichwohl war er der Kommunistischen Partei Kubas verpflichtet und hatte keine Lust, seine Zeit mit Magie zu vertändeln. Die Partei hatte ihm beigebracht, der Schamanismus sei weiter nichts als Opium für das Volk, das besser daran täte, sich am Sozialismus zu berauschen.
In Vieng Xai hatte der Buchhalter etwas gesehen, das ihn mit großer Sorge erfüllte, weshalb er beschloss, Santiago darauf anzusprechen. Sie verabredeten sich für acht Uhr abends. Eine Stunde vor dieser Zeit erschien Isandro in Santiagos Büro und erklärte ihm, der Rechnungsprüfer sei urplötzlich schwer erkrankt, er halte sich den Hals und könne nicht sprechen. Der Direktor eilte ans Bett des Mannes und sah sofort, dass er Todesqualen litt. Sie schafften ihn sogleich in den OP-Saal, wo Santiago einen Luftröhrenschnitt durchführte. Da es keine Anzeichen für eine Krankheit oder eine Verletzung der Atemwege gab, musste die akute Atemnot des Mannes von starken Schmerzen herrühren. Nach einigen weiteren Explorationsschnitten
hatte Santiago die Ursache gefunden. Die Epiglottis des Kubaners hatte sich in Holz verwandelt – genauer gesagt, in eine harte Substanz, die dem Kern eines kleinen Pfirsichs ähnelte. Dem Chirurgen blieb nichts anderes übrig, als sie zu entfernen. Sie versetzten den Buchhalter in ein Tiefkoma und schickten ihn zurück nach Havanna. Als sie seine Sachen zusammenpackten, um sie ihm nachzuschicken, fanden sie in seiner Tasche einen Zettel. Darauf standen die Namen der beiden Pfleger, neben die der Mann verschiedene Endoke-Symbole gekritzelt hatte.
Während die Geschichte vom Affenfötus aus zweiter Hand stammte und bis zu einem gewissen Grad aus Spekulationen und Mutmaßungen bestand, hatte Santiago diese bizarre Erscheinung mit eigenen Augen gesehen. Bald darauf hatte er den Altar entdeckt, Isandro und Odon zur Rede gestellt und sie nach Kuba zurückbeordert.
Siri wollte wissen, warum Santiago keine Angst vor Vergeltung gehabt habe, wo die beiden Männer doch angeblich über so ungeheure Fähigkeiten verfügten. Der Kubaner verzog den Mund zu einem breiten Grinsen und knöpfte sich langsam das Hemd auf. Siri und Dtui staunten nicht schlecht. Unzählige Talismane baumelten wie die Amtskette eines Bürgermeisters auf seiner Brust. Vor ihnen saß ein angesehener Wissenschaftler, der mit einem Kranz aus Talismanen, getrockneten Blüten, Metallklümpchen, diversen Zähnen und sorgsam platzierten Knoten behängt war. Es war ein Wunder, dass er bei dem Gewicht überhaupt aufrecht stehen konnte. Siris einsamer weißer Talisman konnte da nicht mithalten. Santiago bekannte sich offen und ehrlich zu seiner Angst vor den beiden Endoke-Priestern. Siri fand es irgendwie tröstlich,
dass er nicht der einzige Gelehrte war, der auf Magie zurückgreifen musste, um am Leben zu bleiben.
Siri ging nach oben auf sein Zimmer und zog sich aus, um zu duschen. Seit seinem Erlebnis am Altar hatte er ein komisches Gefühl. Seltsame Gelüste regten sich in ihm. Normalerweise entledigte er sich nur ungern seiner Kleidung, aber heute verspürte er das sonderbare Verlangen, sich im Schrankspiegel zu betrachten, was er jahrelang tunlichst vermieden hatte. Er war kein Adonis. Und taugte auch nicht als Modell für eine Statue. Doch aus irgendeinem Grunde erfüllte der Anblick seines drahtigen Körpers ihn mit Stolz. Mit gefärbten Haaren hätte er glatt als fünfundsechzig, ach was: sechzig durchgehen können. Er wirkte kräftig und, ja, männlich. Heute hatte er aus irgendeinem Grunde das Gefühl, mit bloßen Fäusten Kokosnüsse, wenn nicht gar Steine spalten zu können.
Er ließ seine graue Unterhose aus PL-Beständen zu Boden sinken und stolzierte, aufrecht und splitterfasernackt, im Zimmer auf und ab. Er ließ seinen Penis hin und her baumeln, spannte seinen Bizeps, fletschte die Zähne im …
»Noch Tee?« Die Küchenfrau stand in der Tür. Er hatte sie nicht kommen hören. Sie hielt eine frische Thermoskanne in der Hand und musterte ihn mitleidig von Kopf bis Fuß, wie einen Demenzkranken, der seine Hose verlegt hat. »Alles in Ordnung, Onkel?«
Siri riss die Steppdecke vom Extrabett und schlang sie um seinen nackten Körper. »Mir fehlt nichts. Vielen Dank.«
Eine Stunde später war er – anständig
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