Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
Balkons von einem Felsvorsprung herabstieß und einen nahezu perfekten Looping vollführte, bevor er seinen gleitenden Sinkflug fortsetzte. Siri lag eine Bemerkung auf der Zunge, doch Dtui war mit ihren Gedanken ganz woanders. »Ich meine, wie viele solcher Anträge wird eine Frau wie ich wohl bekommen? Vielleicht sollte ich mir die Sache doch noch mal durch den Kopf gehen lassen. Wenn ich sein Angebot ausschlage, ende ich womöglich als alte Jungfer mit Krampfadern und Damenbart, die dieser vergebenen Chance bis in alle Ewigkeit nachtrauert.«
Im Traum entfuhr Panoy ein leiser, mädchenhafter Seufzer. Dtui wartete, bis er verklungen war, und fuhr dann fort. »Heiraten oder nicht heiraten? Bleibt die Frage, welche Entscheidung ich mehr bereuen würde. Meine Mutter sagt immer, ein Mann ist nie wieder so lieb und nett wie am Tag des Heiratsantrags. Besser wird es nicht. Denn ist man erst mal unter der Haube, braucht er sich nie wieder so viel Mühe zu geben. Seine Rede hat mich schier umgehauen. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn er sie sich von einem Unterausschuss hätte
schreiben lassen. Von Gefühlen war darin jedenfalls nicht die Rede. Er hat sie heruntergeleiert wie ein Referat vor der Generalversammlung.«
Sie nahm die Füße herunter, stand auf und stützte sich mit den Händen auf die Balkonbrüstung, als würde sie zu einer riesigen Menschenmenge sprechen. »Und dann dieses verdammte Antragsformular«, spuckte sie verächtlich aus. »Was für ein arroganter, rückgratloser Schnösel. Lässt der sich eigentlich jede Entscheidung von der Partei absegnen? Das ganze Bezirksamt wusste, dass er mir einen Antrag machen wollte, nur ich nicht. Ob er so wohl auch in seinem Privatleben verfährt? ›Dtui, Schätzchen. Ich fände es schön, wenn wir heute Abend eine kleine Nummer schieben könnten. Ich muss vorher nur rasch bei der Kommission für Partnerschaften und Beziehungen vorbeischauen und ein F27b ausfüllen.‹« Sie errötete. »Ups, Verzeihung, Doc.« Siri hob gnädig die Augenbrauen.
»Ich meine« – sie schien zum Endspurt anzusetzen -, »was ist das eigentlich für ein angepasster Trottel, der sich von Bürokraten diktieren lässt, was er zu tun und zu lassen hat? Und wofür hält der Kerl sich eigentlich – besitzt er doch tatsächlich die Frechheit, um meine Hand anzuhalten, ohne auch nur mit mir geflirtet, geschweige denn mir den Hof gemacht zu haben? Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt? Wahrscheinlich wusste er, dass er bei mir auf Granit beißen würde. Ich hätte ihn beim leisesten Annäherungsversuch aus den Latschen gehauen. Da blieb nur der Überraschungsangriff.
Aber das ist natürlich alles graue Theorie, Doc.« Sie wandte den Kopf, um sich zu vergewissern, dass er noch da war. »Wissen Sie, warum? Weil ich mein Lebtag keinen Mann heiraten werde, nur weil er etwas darstellt, vermögend
ist oder in einer Uniform eine halbwegs stattliche Figur macht. Nein, wenn ich jemals heirate, dann einen Mann, der mein Innerstes in Sojapaste verwandelt. Einen Mann, den ich so sehr liebe, dass ich morgens nicht zur Arbeit gehen möchte, weil ich weiß, dass er mir den ganzen Tag lang schrecklich fehlen wird. Nicht mehr und nicht weniger. Eher verliebe ich mich in diesen grauenhaften Kasten als in den Genossen Lit. Nein, du aufgeblasene Parteimaschine – such dir eine andere Frau, die zu dir passt und sich bereitwillig zu deiner Angetrauten befördern lässt. Ich spiele da nicht mit.«
Sie stieß einen erleichterten Seufzer aus und sank schwerfällig auf ihren Stuhl. Siri nahm ihre Hand.
»Danke, Doc«, sagte sie. »Ich wusste doch, dass Sie mir den Kopf zurechtrücken würden.«
»War mir ein Vergnügen.«
15
LAOTISCHE VERHÄLTNISSE
Herr Geung war dem Ufer des Nam-Ngum-Stausees zwölf Meilen weit gefolgt. Er hatte in einer Fischerhütte am Strand übernachtet. Als er aufwachte, stieg ihm sein eigener Gestank in die Nase. Er konnte sich kaum noch erinnern, warum er von Kopf bis Fuß mit diesem klebrigen, dunkelbraunen Zeug bedeckt war, das seine Haut mit einer harten Kruste überzog, und das frische, klare Wasser lag gleich vor seiner Haustür. Bis auf seine Stiefel vollständig bekleidet, watete er in den See. Es war ein herrliches Gefühl. Erst als ihm das Wasser bis zum Hals stand, zog er sich aus. Seine Schulter brannte ein wenig, aber das kühle Nass entkrampfte seine schmerzenden Muskeln, tränkte seine schuppige Haut und spülte seinen einzigen Schutz gegen Insektenstiche
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