Totentanz
schreibt dafür Rechnungen?« Galvanos Augen funkelten wild. »Ein kleines und verarmtes Land investiert in die Müllentsorgung und Behebung von Schäden, die andere angerichtet haben? Mitten im Staatsbankrott errichten die ein Modell für umweltgerechte Entsorgung, alle Achtung. Dieser Konsulin sollte ein Verdienstorden verliehen werden. Da schau: Schwermetalle, Säuren, Asbest, Klärschlamm, Altbatterien und Reifen. Es wäre das erste Mal in der Weltgeschichte, daß eine Regierung an das Wohl der Bevölkerung denkt. Also, welche Funktion kann dieses Land übernehmen? Oder ein paar exponierte Vertreter des Landes, wenn du genau sein willst?«
»Auch wenn Giftmüllexporte seit Anfang der Neunziger international geächtet und verboten sind, heißt das noch lange nicht, daß sie nicht mehr stattfinden«, sagte Marietta. »Gutachten und Transportgenehmigungen kann sich jeder beschaffen, der ein paar Euro übrig hat. Alles hat seinen Preis.«
»Und die Konsulin kann da sicher einiges beisteuern. Hast du überhaupt eine Ahnung davon, wie teuer es ist, giftige Substanzen legal loszuwerden? Damit läßt sich Geld verdienen, und das Risiko ist überschaubar, die Strafen sind erträglich. Das Zeug wird vom Norden in den Süden geschafft, unterwegs werden die Transportpapiere gefälscht, und damit basta. Oder von Österreich in die Tschechei und von Deutschland nach Polen. Vom Rest der Welt ganz zu schweigen. Die Folgekosten trägt der Steuerzahler.«
»Ist die Antwort aus Reggio-Emilia eingetroffen?« unterbrach sie Pina, die sie nicht bemerkt hatten.
Marietta nahm Galvano den Aktendeckel aus der Hand und reichte ihn ihrer neuen Vorgesetzten. »Natale Coltibuono ist ein angesehener Mann in Reggio. Eine graue Eminenz in der Stadt, sagen die Kollegen. Promovierter Chemiker und Inhaber einer Vielzahl von Firmen ganz unterschiedlicher Ausrichtung. Vom Textilbetrieb bis zum Transportunternehmen. Vielleicht sollten ihn die Kollegen vor Ort nach seinen Kontakten zur Konsulin befragen, dann kämen wir eventuell weiter. Du solltest wissen, daß man mit illegaler Müllentsorgung eine Menge Geld …«
»Muß Ihr Hund nicht mal Gassi geführt werden?« Pina schenkte dem Alten einen ungnädigen Blick. In seiner Anwesenheit konnte sie die wirklich dringenden Fragen nicht stellen.
»Ich freue mich, daß du so nette Gesellschaft hast, Pina«, sagte er mit einem Unterton, der die Inspektorin mißtrauisch machte.
»Ich habe jetzt keine Zeit, um mit Ihnen zu plaudern, Dottore.« Sie führte den alten Gerichtsmediziner zur Tür.
»Und mit der Konsulin bist du wirklich gut befreundet, nicht wahr?«
»Der Zufall will, daß wir Wohnungsnachbarinnen sind.«
»Ich hoffe, sie hilft dir bei der Suche nach deinem Verehrer, diesem Müllschnüffler. Die Nachricht heute war wirklich nicht erbauend. Aber laß dir von einem Arzt raten, wärmere Unterhosen zu tragen, meine Gute, diese kleinen Stoffetzen führen leicht zu Unterkühlung und Blasenentzündung. Vom Stoffmuster gar nicht zu reden. Rote Punkte …«
Pina riß ihn am Ellbogen herum, als er sich mit dem letzten Satz davonmachen wollte. »Also doch Sie! Schämen Sie sich eigentlich nicht, Galvano?«
»Du hast mich mißverstanden, Inspektorin.« Der Alte hob seine Stimme. »Anstatt dankbar zu sein, verdächtigst du den, der dir zu helfen versucht. Benimm dich und laß meinen Arm los!« So hatte sie ihn noch nie erlebt. Wenn er weiter brüllte, stünden in Kürze alle Kollegen auf dem Flur.
»Kommen Sie mit«, herrschte Pina den Alten an und riß die Tür zu Laurentis Büro auf. Der einzige Raum, wo sie ungestört reden konnten. »Also, was haben Sie zu sagen?«
»Ich habe gesehen, daß du die Konsulin abgeholt hast und ihr in der Via Mazzini in eurem Haus verschwunden seid. Ich war bereits vor dir dort gewesen und habe etwas entdeckt, das dich interessieren könnte. Später kamst du alleine wieder raus. Wo hast du die Konsulin gelassen?«
Die Inspektorin staunte. Wie hatte Galvano es geschafft, ihr unbemerkt zu folgen, wo er doch sonst kein Meister im Verstecken war? »Reden Sie endlich!«
»Zuerst entschuldigst du dich und dann erzählst du mir bis ins Detail, was ich nicht wissen soll, aber bereits ahne. So lange erfährst du von mir kein Sterbenswörtchen. Verstanden. Wo ist die Konsulin? Sie hat mir auf mein Klingeln nicht geöffnet.«
Wie konnte sich dieser Kerl erlauben, sich einzumischen? Pina nagte an ihrer Unterlippe, starrte zum Fenster hinaus und beobachtete eine aufgeregt
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