Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
rustikal eingerichteten Gastraum, den meterdickes altes Gemäuer wie eine Festung umgab. Milan saß über einem Teller mit einer Schweinshaxe und Bratkartoffeln, die Sandro empfohlen hatte. Vorher hatte sein neuer Gast hungrig wie ein Wolf den ausgezeichneten Schinken und die hausgemachte Salami verspeist, und er hatte bereits eine Karaffe Rotwein geleert, als eine Gruppe von sechs kräftigen Männern sich am Nebentisch niederließ. Er hörte vor lauter Behagen über das wunderbare Essen nicht, daß ihr Gespräch sich um das Thema des Tages im Dorf drehte, und bemerkte nicht einmal, wie sie schlagartig verstummten. Zwei der Männer gingen hinaus. Sandro stellte ihm noch eine Karaffe Rotwein auf den Tisch, die sei ihm von den beiden offeriert worden, Santa Croce sei ein gastfreundliches Dorf, in dem Fremde stets herzlich willkommen wären. Milan schaute ihnen nach, um sich zu bedanken, doch keiner der beiden drehte sich um. Dann folgte ihnen auch der Wirt, während ihm die vier anderen vom Nebentisch zuprosteten, was Milan gerne erwiderte. Er leerte sein Glas in einem Zug und goß freudig nach. Die vier Männer hoben wieder die Gläser und begannen so lautstark ein fröhliches Lied anzustimmen, daß sie die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sich zogen. Sie brachen in Gelächter aus, als einer von ihnen mit einer riesigen, tiefroten Nase ein wildes »Aaaaakiiiii« erschallen ließ, daß die Gläser klirrten. Und dann spürte Milan nur noch ein Krachen auf seinem Schädel und fiel wie ein gefällter Baum vom Stuhl.
    Es war eine vollkommene Inszenierung, die ihn zu Boden geschickt hatte. Gefesselt und blutüberströmt kam er in einem dunklen, feuchten und nach vergärendem Traubenmost riechenden Raum wieder zu sich, ohne Kraft, sich zu erheben. Sein Kopf schmerzte bei der kleinsten Bewegung, er schaffte es nicht einmal, seinen trockenen Mund zu öffnen. Er spürte eine fremde Masse über den Lippen und brauchte lange, bis er sie als Klebeband identifizieren konnte. Vergebens versuchte er, an seinen Fesseln zu zerren. Er hörte, wie jemand im Nebenraum sagte, man sollte ihn am besten lebendigen Leibes einem ausgehungerten Rudel Schweine zum Fraß vorwerfen, das ihn zerreißen und bis auf die Knochen beseitigen würde.
    Milan rätselte, wie lange er schon im Dunkeln lag, als endlich das Licht angeknipst wurde. Als seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er vier Uniformierte vor sich. Einer hielt einen transparenten Plastikbeutel mit Milans Pistole in der Hand, ein zweiter den Koffer.
    »Ich bin hundertprozentig sicher, daß er einer der beiden ist, denen der schwarze Audi gehört, der uns auf der Straße zum Dorf behinderte. Ich würde zu gerne wissen, wo das andere Schwein ist.« Es war einer der Männer, die ihm vom Nebentisch so freundlich zugeprostet hatten.
    »Gut gemacht«, sagte der Polizist mit dem Plastikbeutel und gab seinen Kollegen ein Zeichen. Sie stellten Milan, der sich vergebens aus ihrem Griff zu winden versuchte, auf die Beine, legten ihm Handschellen an und entfernten die dicken Stricke um seine Hand- und Fußgelenke. Milan ächzte, als man ihm das Klebeband vom Mund riß.
    »Bringt ihn raus«, sagte der Polizist und wandte sich an Laurentis Freunde. »Das nächste Mal gibt die Polizei einen aus.«
    »Das gab’s noch nie«, flüsterte einer der Männer.

Schläfer erwacht

    Duft nach Rosen und weicher Haut. Sonnengebräunte volle Brüste, die sich ihm fast unerträglich langsam näherten und blitzartig zurückzogen, sobald er den Mund öffnete, um an ihnen zu saugen. Weiche, sanfte Haut unter dem aufgeknöpften weißen Mantel. Ihre Mundwinkel umspielte ein sanftes Lächeln, und ihr sorgenvoller Blick war neugieriger Erwartung gewichen. Der kleine Flaum auf ihren Wangen und das Fältchen, das einen Zentimeter links vom Brustbein herunterlief. Er liebte es, weil es nicht die Mitte zwischen ihren Brüsten zeichnete. Konnte er sogar ihre wunderbare Wärme riechen? Warum konnte dieser Duft nicht für immer bleiben?
    Und doch trieb es ihn, seine verklebten Lider einen winzigen Spalt zu öffnen. Helles Licht, fast weiß. Er schloß die Augen wieder und versuchte es kurz darauf noch einmal. Doch der Schattenriß, der sich von der grellen Fläche abzeichnete, die vermutlich ein Fenster war, durch das gleißendes Sonnenlicht hereindrang, vielleicht aber auch ein Scheinwerfer, der auf ihn gerichtet war, ähnelte dem seiner Frau nicht im geringsten. Wer war das, wenn nicht Laura? Hatte er alles nur

Weitere Kostenlose Bücher