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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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kreischende Schar Möwen, die sich um einen Brocken Nahrung stritten, während sie fieberhaft darüber nachdachte, wie sie mit dem Alten umgehen sollte. Schließlich bot sie ihm einen Stuhl an und begann, zuerst zögerlich, Galvano mit den nötigsten Informationen zu füttern. Sie taxierte wie ein Goldschmied jedes Gramm, das sie auf die Waage legte, und hoffte, die Neugier des Gerichtsmediziners befriedigen zu können, bevor sie zum Kern der Sache käme. Als er aber nach ein paar Sätzen empört aufstand und sagte, sie möge ihn nicht für blöd verkaufen, änderte Pina Cardareto ihre Strategie. Alles hat seinen Preis, auch Informationen, und manchmal mußte man eben ein Risiko eingehen. Vor allem wenn, nach Pinas Kalkül, der andere eventuell noch von Nutzen sein konnte. Und Galvano war vielleicht nicht einmal die falsche Person.
    *
    Milan hatte sich unentdeckt mit dem Koffer durchs Gelände geschlagen. Unterhalb des »Narodni Dom Albert Sirk«, dem Kulturhaus von Santa Croce, stieß er auf einen Fußweg, der in den ältesten Teil des Dorfes führte. Schmucke, kleine Häuser, die dicht beieinander standen wie eine Herde Schafe, die sich bei einem Unwetter aneinanderdrängten. Durch die engen Gäßchen paßte kein Auto, und Milan fühlte sich schon sicherer, doch bei der Kirche mußte er ein kurzes Stück auf die Hauptstraße. Er wartete einen Augenblick und horchte, aber durch den strömenden Regen ließ sich kein Fahrgeräusch vernehmen. Er rannte los und schaffte es gerade noch, sich hinter ein geparktes Auto zu ducken, als das Blinken eines Blaulichts von einer Hauswand reflektiert wurde. Langsam fuhren die Beamten vorbei. Sobald sie außer Sichtweite waren, rannte er erneut los und verschwand zwischen den alten Häusern im Westen des Dorfes. Er tastete die Taschen seiner Jacke ab, aber er fand sein Mobiltelefon nicht. Er mußte es auf der Flucht verloren haben. Mit etwas Glück würde es nie jemand finden, denn er hatte sich durch meist unbestellte Parzellen geschlagen. Er war völlig durchnäßt und hatte blutende Schrammen an den Händen, als er die Tür zum Landgasthof »Bibc« öffnete. Bevor ihn jemand in dem am späten Nachmittag noch kaum besuchten Gastraum sah, verschwand er in der Toilette, die gleich rechts des Eingangs lag. Er wusch sich lange die Hände und das Gesicht. Als sein Aussehen wieder menschlichere Züge angenommen hatte, steuerte er mit dem Koffer in der Hand den Tresen an. Freundlich begrüßte ihn Sandro, der Wirt, und bot ihm ein Glas Wein an, das Milan dankend annahm. Auf die Bemerkung Sandros, daß es kein Wetter zum Spazierengehen sei, sprach Milan von einer Autopanne und daß die Werkstatt ihm den Tip gegeben habe, sich wegen eines Zimmers an ihn zu wenden. Er hatte Glück, eines war noch frei. Sandro brachte ihn ohne weitere Formalitäten zu einem kleinen gemütlichen Appartement und fragte, ob Milan später zu Abend essen wollte, denn das Lokal war fast ausgebucht. Milan nahm dankend an und schob den flachen Koffer mit dem Gewehr unter das Bett, sobald der Wirt die Tür hinter sich ins Schloß gezogen hatte. Nach einer langen Dusche ließ er sich auf das breite Bett fallen und überlegte, wie er vorgehen sollte. Unwahrscheinlich, daß Zvonko mit dem Boot noch auf ihn wartete. Das Polizeiaufgebot war zu groß, als daß er ein solches Risiko eingehen konnte. Er mußte unbedingt telefonieren, doch wer Ferien auf dem Bauernhof machte, brauchte ganz offensichtlich kein Telefon auf dem Zimmer. Er zog sich an und ging zurück in den Gastraum, wo er den Wirt fragte, ob er seinen Apparat benutzen durfte.
    *
    Galvano war fassungslos. Niemals hätte er sich träumen lassen, daß dieser einzelgängerische, von Ehrgeiz besessene Einmeterfünfzig die Karriere so rigoros aufs Spiel setzte. Pina hatte all ihren Mut zusammengenommen und dem Alten zuerst den Schwur abgenommen, kein Sterbenswörtchen von dem verlauten zu lassen, was sie ihm beichtete, ob er es guthieß oder nicht. Er zögerte, bevor er einwilligte, und als sie mit ihrem Bericht fertig war, saß er lange schweigend vor ihr, schaute sie mit großen Augen an und versuchte, sich die Konsequenzen auszumalen, falls die Sache nicht so lief, wie die Inspektorin es sich vorstellte.
    »Hast du das von langer Hand geplant?« fragte er schließlich.
    »Was tut das zur Sache? Die Logik stimmt, Dottore. Wenn wir nicht ans Übel rankommen, dann müssen wir es anlocken. Ich bin mir sicher, daß es klappt. Die Aktenlage kenne ich in- und auswendig

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