Totentanz
und weiß ganz genau, wie diese Leute reagieren. Tatjana Drakič alias Konsulin Petra Piskera kann ich inzwischen ziemlich gut einschätzen. Eine Mischung aus Intelligenz, stahlharten Nerven und grenzenlosem Hochmut, ausgestattet mit exzellenten Verbindungen. Wie Sie sehen, konnte der Staatsanwalt trotz der Beweislage nicht durchsetzen, daß ihre Immunität aufgehoben wird. Es gibt immer wieder Richter, die Schiß vor den Konsequenzen ihrer eigenen Urteile haben. Also habe ich gehandelt, bevor es zu spät ist und sie uns entwischt. Dieses Mal wohl für immer. Wenn Sie mir helfen, Dottore, schnappen wir sie. Denken Sie an das Ehepaar Babič, denken Sie an Laurentis Frau, und denken Sie an Ihren Freund selbst. Dazu kommt noch ein Polizist, den es heute nachmittag ebenfalls erwischt hat. Wollen Sie etwa zusehen, wie die Liste immer länger wird?«
»Und du solltest nicht vergessen, daß wir glänzende Kontakte zu den kroatischen Kollegen haben. Živa Ravno, die Staatsanwältin, ist eine enge Verbündete. Der Tod Laurentis ist ein herber Schlag für sie. Sie wird alles daransetzen, daß die Täter nicht ungesühnt davonkommen.«
»Auf legalem Weg sind uns die Hände gebunden, während die einfach weitermachen. Selbst wenn sie je vor einem Gericht landen, kommen sie stets mit bescheidenen Strafen durch, die sie unbekümmert absitzen. Ich will nicht, daß solche Leute uns auch in zehn Jahren noch auf der Nase herumtanzen und sich über uns lustig machen.«
»Du riskierst viel«, sagte der Alte. »Das kann dich deinen Job kosten.«
»Wenn sie mich rauswerfen, gehe ich zum Geheimdienst, dort ist man nicht so zimperlich. Wenn es aber gutgeht, dann werde ich wegbefördert – und das kann ich kaum erwarten. Dann sind auch Sie mich los, samt meinem Briefkasten.«
»Auch ich habe einiges zu verlieren.« Galvano wand sich. Natürlich hatte die Kleine recht, und er bewunderte ihre Kühnheit. Wenn sie aber aufflogen, dann wäre das kein krönender Abschluß seiner langen Karriere.
»Was haben Sie schon zu verlieren, Galvano? Glauben Sie etwa, daß man Ihnen die Rente streicht?« Pina Cardareto stand auf, öffnete das Fenster und knipste das Licht an. Der Regen hatte sich gelegt, jetzt drang der Verkehrslärm von der Straße zwischen Questura und Teatro Romano herauf. Es war Rush-hour in Triest, und die Läden schlossen bald. Die Inspektorin warf einen Blick auf ihre Uhr. Es war Zeit zu handeln.
»Galvano, ja oder nein?«
»Ja«, sagte der alte Gerichtsmediziner schließlich mit belegter Stimme, dann setzte er sich abrupt auf, räusperte sich und wiederholte seine Antwort klar und deutlich. »Also, wie gehen wir vor?«
Pina zog das Telefon der Konsulin aus ihrer Jackentasche und wollte ihm soeben die nächsten Schritte erklären, als Marietta wie ein Donnerschlag hereinplatzte.
»Pina«, sagte sie aufgeregt. »Sie haben einen der beiden Killer geschnappt.«
Galvano sprang auf, doch Pina hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Lebend oder tot?«
»Sie haben schon mit dem Verhör begonnen.«
»Die sollen warten«, sagte Pina. »Wir sind gleich fertig. Danke, Marietta.«
»Ich möchte, daß Sie Viktor Drakič mit dem Telefon seiner Schwester anrufen und ihm folgendes sagen.« Pina erklärte dem Gerichtsmediziner den Inhalt der Nachricht und den Tonfall, den er annehmen sollte. Dann betätigte sie Tatjanas Mobiltelefon und reichte es ihm. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und atmete schließlich beruhigt auf. Galvano war ein begnadeter Schauspieler, und Viktor Drakičs Reaktion ließ darauf hoffen, daß er angebissen hatte. Pina stand auf und öffnete die Tür zu Mariettas Büro.
»Also, was ist passiert?« fragte sie.
»Die Kollegen warten nur auf dich.«
Milan hatte Zvonko telefonisch erreicht, kurz bevor der auf Porer anlegte. Zvonkos Stimme klang matt, aber erleichtert. Er ließ sich von seinem Kollegen beschreiben, wo er sich aufhielt, damit man ihn und den Koffer abholen konnte. Seine Verwundung, die ihm immer mehr zusetzte, erwähnte er mit keinem Wort. Von Minute zu Minute und mit jedem Schlag des Bootes auf die Wellen schmerzte die pochende Wunde, die er notdürftig abgebunden hatte, mehr. Wenigstens würde sich Viktor Drakičs Zorn rasch besänftigen, denn die Wunderwaffe war in Sicherheit. Sie vereinbarten, am späteren Abend wieder voneinander zu hören.
Auch Milan war erleichtert. Zwar saß er noch immer in der Höhle des Löwen, doch hier bei Bibc fühlte er sich geborgen. Er entspannte sich in dem
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