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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Küste ab.
    Sie passierten in strömendem Regen die Boje, die eine halbe Meile vor der Küste blinkend die Hafeneinfahrt signalisierte, und Zvonko drosselte die Turbinen. Er war beruhigt, als er sah, daß sich das Polizeiboot nicht vom Fleck bewegte. Langsam steuerte er die Sea Ray hinter die Mole und machte sie neben einem Segelboot fest. Ein paar Baracken standen hier unten und ein einfaches Steinhaus, das noch von der Zeit der großen Thunfischjagden zeugte, die bis in die fünfziger Jahre hinein eine zuverlässige Erwerbsquelle gewesen waren, bis große Fangflotten die Schwärme bereits weit im Süden abfischten.
    Milans Gesicht hellte sich auf, als er auf dem Kai endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Sie stiegen die Treppe zur Küstenstraße hinauf, die sie bei der Tenda Rossa überquerten, um sich querfeldein den Hang hinaufzuschlagen.
    Zvonko traute seinen Augen nicht, als ihnen bei der engen Bahnunterführung, durch die kein Auto ohne mehrfaches Rangieren paßte, plötzlich ein Wagen der Staatspolizei entgegenkam. Zum Verstecken war es zu spät. Zvonko blieb nichts anderes übrig, als zur Seite zu treten, um das Fahrzeug durchzulassen und den Beamten freundlich zuzuwinken. So durchnäßt konnten sie vielleicht als Wanderer durchgehen, die von dem Gewitter erwischt worden waren. Die Polizisten winkten zurück. Milan atmete so hörbar auf, daß Zvonko ihm einen Stoß in die Rippen versetzte. Zehn Minuten später und ein paar hundert Meter unterhalb des Dorfrands fuhr der Wagen wieder an ihnen vorbei. Wieder grüßte Zvonko freundlich. Das Auto verschwand hinter der nächsten Kurve zwischen den hohen Mauern aus Bruchstein, die den Weg säumten. Zvonko verließ das Sträßchen und ging voraus. Es war ein alter Pfad, der zum Hügel San Primo hinaufführte und dessen Stufen ausgetreten waren. Milan folgte ihm keuchend. Endlich standen sie vor dem Tor, das in den Weingarten führte, wo sie das Gewehr zurückgelassen hatten. Zvonko schob den Riegel zur Seite und ging hinein. Gebückt bahnte er sich den Weg unter dem Blätterdach der Rebstöcke und atmete auf, als er das Gewehr sah, das unverändert auf dem Stativ ruhte.
    »Der Chef traut einfach niemandem, er denkt, alle außer ihm selbst seien Idioten«, sagte Milan, als sie die Waffe demontierten und die Teile zurück in den Koffer legten, aus dem sie zuerst das Wasser gießen mußten. »Stell dir vor, was er mit uns anstellen würde, wenn dieses Ding nicht mehr da wäre.«
    »Red keinen Unsinn. Ich weiß, was ich tue«, sagte Zvonko knapp. Mit hörbarem Klick drückte er die Bügel des Koffers ins Schloß und stand auf.
    »Hände hinter den Kopf und stehen bleiben.« Die Stimme hinter ihnen war hell und klar.
    Zvonko und Milan warfen sich einen kurzen Blick zu und stürzten jeder zu seiner Seite. Noch im Fallen zogen sie die Pistolen, drückten ab und suchten Deckung. Fünf Schüsse, zwei davon Querschläger, die an der Trockenmauer zur Bergseite abprallten. Zvonko lag hinter ein paar Stahlfässern, mit denen die Winzer das Regenwasser auffingen. Milan zog den Koffer hinter sich her und hatte noch drei Meter bis zur nächsten, tiefer liegenden Terrasse. Er verständigte sich mit seinem Partner durch Handzeichen, damit dieser ihm Feuerschutz gab. Keiner von beiden konnte die Polizisten sehen, sie kannten nur die Richtung, aus der sie das Feuer eröffnet hatten. Doch im Gegensatz zu den Uniformierten waren sie kriegserfahren. Drei Jahre lang hatten sie unter Tudjman gegen die Serben gekämpft, und in diesen Situationen hatte keiner ihrer Feinde gewonnen. Zvonko lud die Halbautomatik nach und zog den Lauf durch. Er warf einen Stein in Richtung der kleinen Hütte mit dem Wellblechdach, hinter der er die Beamten vermutete, und als er den Aufschlag hörte, feuerte er sieben Schüsse ab, während er seine Position wechselte und Milan mit dem Koffer unter dem Blätterdach weiter unten verschwand. Das Feuer fand eigenartigerweise keine Erwiderung. Es war befremdlich still. Entweder hatte er die Polizisten erwischt, oder sie hatten sich aus Angst verzogen. Zvonko feuerte noch eine Salve in ihre Richtung und setzte zum Sprung an, um Milan zu folgen. Ein brennender Schmerz durchfuhr ihn plötzlich, als er auf der unteren Terrasse abrollen wollte. Zvonko ließ die Pistole fallen und faßte nach seiner Schulter. Seine Hand war blutüberströmt, die Kugel hatte ihn an der Schulter erwischt. Eine Handbreit tiefer wäre schlimmer gewesen. Er hob seine Pistole auf

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