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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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nur ein Bruchteil der aufgedruckten Summe wert und stammten aus einer Fälscherwerkstatt in der Türkei. Selbst der Bankdirektor hätte sie kaum von echten unterscheiden können. Wenn es Drakič gelang, seine Schwester mit dieser Summe freizukaufen, kam er günstig davon.
    Er drückte dem Direktor lasch die Hand, bat ihn, verbindlichste Grüße an den obersten Chef des Geldinstituts auszurichten, und saß wenig später wieder im Fond der Limousine, die ihn über die österreichisch-italienische Grenze unbehelligt nach Triest bringen sollte. Seine Assistentin hatte ein Zimmer im sympathischen Hotel »Valeria« im Vorort Opicina für ihn gebucht, von dem es nur ein Katzensprung nach Slowenien war. Man wußte nie.
    Viktor Drakič war gut ausgerüstet. Er hatte fünf verschiedene Telefonkarten aus fünf osteuropäischen Ländern zur Verfügung, die er wechseln konnte, wie er wollte und die es seinen Verfolgern schwer machten, ihn in der kurzen Zeit, die er in der Stadt sein wollte, aufzuspüren. Die fünf Apparate unterschied er über die Farben, die er der jeweiligen Nation zugeordnet hatte, die Ansammlung auf dem Tisch mutete an wie die Auslage eines Telefonladens.
    Zwei Probleme aber bedrückten ihn. Milan hatte sich gestern abend nicht mehr gemeldet und blieb bis jetzt unauffindbar. Zvonko hatte nichts von ihm gehört, und es blieb nur zu hoffen, daß er den Koffer in Sicherheit gebracht hatte. Vielleicht versuchte er inzwischen, sich auf eigene Faust nach Porer durchzuschlagen. Auf den Kerl selbst kam es nicht an, solche fand man wie Sand am Meer. Und was war mit Tatjana? Nie im Leben wäre Viktor Drakič auf die Idee gekommen, daß seine Schwester gekidnappt werden könnte. Die Schwester eines Bosses, der sich in kürzester Zeit den Respekt seiner Kollegen erkämpft hatte. Man kannte sich, in Italien und Slowenien, in Kroatien, in Serbien, Albanien und Deutschland, der Türkei und in Österreich – und der Aktionsradius der einzelnen Gebietsherren war bisher zuverlässig abgesteckt. Nur so ließ sich eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit gewährleisten, von der alle profitierten. Doch aus der Frauenstimme, die ihn nachdrücklich darauf hinwies, keine Dummheiten zu versuchen, hatte er eindeutig eine süditalienische Klangfärbung herausgehört. Und der Mann, der den nächsten Anruf tätigte, in dem er Ort und Zeitpunkt der Übergabe nannte, sprach mit leichtem amerikanischem Akzent. Konnte es sein, daß die transatlantische Pizza-Connection etwas von seinem Geschäft mit dem Pentagon erfahren hatte und nun versuchte, ihn auszuspielen?
    Viktor Drakič ging immer wieder alle Möglichkeiten durch und entschied schließlich, seine Privatarmee einzusetzen. Sechs Leute genügten, um seinen Kontrahenten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Zur Mittagszeit sollte er noch einmal einen Anruf erhalten sowie letzte Instruktionen. Gleich danach würde er seine Männer treffen und sie auf den Showdown einstimmen.
    *
    Als Inspektorin Pina Cardareto am späten Abend endlich nach Hause kam, das Fahrrad trotz der rotweißen Plastikbänder an den üblichen Platz im Treppenhaus lehnte und endlich die beiden Pizzakartons in der Küche abstellte, fand sie die Konsulin mit durchnäßter Wäsche vor.
    »Entschuldige«, sagte die Polizistin und nahm Tatjana Drakič die Fußfesseln ab, damit sie aufstehen konnte. »Ich habe keine Erfahrung damit, auf was man beim Kidnapping alles achten muß.«
    Die Frau war verstört, zitterte und brummte Unverständliches, aber sicher wenig Freundliches durch das Klebeband, mit dem ihr Mund verschlossen war.
    »Ich nehme es dir ab, wenn du leise bleibst«, sagte Pina, und nachdem ihr Opfer nickte, riß sie mit einem herzhaften Ruck das Band ab.
    Tatjana entfuhr ein kleiner Schrei, und Tränen traten ihr in die Augen. Sie zerrte an den Handfesseln. »Mach mich los, das Blut hat sich aufgestaut.«
    Pina schüttelte den Kopf. »Und dann?«
    Tatjana schaute sie wortlos an.
    »Komm mit«, sagte Pina und führte Tatjana ins Bad, »du stinkst nach Pisse.« Sie stieß die Frau in die Badewanne, löste die Fessel, die ihr linkes Handgelenk blockierte, und fixierte sie schneller, als die andere es begriff, am Wasserhahn. »Tut mir leid, aber es ist besser, du hast nur die Linke frei. Zieh dich aus und wasch dich. Danach bekommst du etwas zu essen. Ich hole dir frische Wäsche. Und mach keinen Lärm, verstanden?«
    Pina ging hinaus, schnitt die Pizze in Stücke und schob sie in den Ofen. Dann

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