Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
Vom Netzwerk:
Tee, Laurenti«, sagte Laura. »Du bist erst seit vier Stunden wieder bei dir. Marco ist wie du. Er wollte wirklich Wein mitbringen.«
    »Und?«
    Marco wühlte in dem Korb auf dem Boden und zog einen Korkenzieher heraus. Er zeigte ihn mit einem Augenzwinkern hinter dem Rücken seiner Mutter.
    »Der Tee ist kalt, Laura«, sagte Laurenti. »Kannst du bitte etwas heißes Wasser besorgen?«
    Kaum schloß Laura die Tür hinter sich, zog Marco schon eine Flasche Ribolla Gialla von Radikon, die er im Restaurant abgestaubt hatte, hervor und entkorkte sie eilig. Den Rest aus der Teekanne schüttete er ins Waschbecken und spülte sie flüchtig aus. Dann goß er den Wein hinein und stellte ihn vor Laurenti aufs Tablett. »Er ist inzwischen ein bißchen warm.«
    Laurenti nahm zwei wundervolle Schlucke und stellte die Tasse rasch zurück, als Laura mit einer dampfenden Kanne zurückkam. Sie tauschte sie gegen die andere aus.
    »Hat dir heute schon jemand die Zeitungen gebracht?« fragte Laura.
    »Nein. Aber der Tee ist mir zu heiß. Ich will den anderen wieder.«
    »Du belegst alle Titelseiten, Commissario.« Laura legte einen Stapel Papier auf die Bettdecke.
    »Hier! Il Piccolo: ›Triest trauert um Proteo Laurenti. Der hochverdiente Commissario wurde gestern morgen Opfer eines Attentats. Vor der Questura hängen die Flaggen auf halbmast.‹«
    Laurenti verschluckte sich vor Lachen. »Das hätte ich mir auch nie träumen lassen, daß ich einmal meine eigenen Nachrufe lesen kann. Wer hat das eingefädelt?«
    »Die Inspektorin, der Staatsanwalt und der Questore, soweit ich weiß. Pina ist übrigens auf dem Weg hierher. Sie hat das toll gemacht. Vielleicht kann es ja dabei bleiben. Du nimmst eine neue Identität an, und wir leben in Frieden weiter.«
    »Ach, Laura«, sagte Laurenti nur und trank in einem Zug seine Tasse Tee.
    *
    Pina Cardareto hatte Tatjana Drakič am Morgen lediglich zur Toilette geführt und danach zurück ins Schlafzimmer gebracht. Mehr als zwei Gläser Wasser hatte sie ihrer Geisel nicht zu trinken gestattet, und zu essen sollte sie ebenfalls nichts mehr bekommen. Wenn Viktor Drakič am Abend seine Schwester auslösen wollte, dann war es besser, wenn diese geschwächt war und nicht in der Lage, das Katz-und-Maus-Spiel zu stören. Pina hatte keinen Zweifel daran, daß Drakič eine halbe Armee aufbieten würde. Ihr Plan war gefährlich, aber nicht unmöglich. Galvano würde ihn pünktlich zwölf Uhr mittags anrufen und ihm neue, präzise Anweisungen geben, auf die er sich vorbereiten konnte. Und Pina würde dann eine halbe Stunde vor der Übergabe alles revidieren und einen neuen Ort benennen. Damit müßte er zumindest zu irritieren sein.
    Die Portiersloge war verschlossen und kein Laut aus ihr zu vernehmen, als die Inspektorin ihr Fahrrad, das unbehelligt an der Wand lehnte, auf die Straße hinausschob. Die Plastikbänder waren entfernt, und der Leuchter im Flur mit neuen Glühlampen bestückt. Sein Licht drang bis in die Ecken des jüngst gereinigten Entrees. Und selbst der Stuck an Wänden und Decken war offensichtlich entstaubt worden, wenn auch nicht von Meisterhand. Pina nahm es belustigt zur Kenntnis. Sie hatte in der Nacht darauf verzichtet, die Kollegen zu rufen, um den Hausmeister vernehmen zu lassen. Mit Tatjana Drakič in der Wohnung konnte sie es nicht riskieren, und wenn alles ausgestanden war, könnte sie sich den Mann immer noch vorknöpfen.
    Noch auf dem Weg ins Büro klingelte ihr Mobiltelefon, und Pina fuhr an den Straßenrand, um das Gespräch anzunehmen. Es war Galvano, der ihr in knappen Worten sagte, daß Laurenti zu sich gekommen war und sich in viel besserem Zustand befand, als man erwarten durfte. Pina bat auszurichten, daß sie ihn am frühen Nachmittag besuchen käme, sobald sie mit den Berichten durch wäre und in Gegenwart des Staatsanwalts Milan ein weiteres Mal vernommen hätte, auch wenn sie nicht damit rechnete, daß er auspackte. Sie kannte solche Typen. Schweigen war Gold, Reden brachte den Tod.
    Sie betrat das Krankenzimmer, als sich Laurentis Frau und sein Sohn von ihm verabschiedeten. Laura fragte, wie lange diese Show noch dauern sollte, denn bereits heute lief der Briefkasten an Kondolenzpost über und das Schweigen, um das man sie gebeten hatte, fiel ihr zunehmend schwer. Nicht mehr lange, sagte Pina, was immer das bedeuten sollte.
    »Woher stammt dieses Gewehr?« fragte Laurenti, als sie mit ihrem Bericht über die Fahndung fertig war und von dem Gutachten erzählte,

Weitere Kostenlose Bücher