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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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ging sie in ihr Schlafzimmer und zog ein Handtuch und einen ihrer Slips aus dem Kleiderschrank. Zwei kleine weiße Stoffdreiecke mit großen roten Punkten.
    »Ich hab nur diese Größe«, sagte sie wie zur Entschuldigung, als sie ins Badezimmer trat. »Dir spannt er vermutlich ein bißchen ums Hinterteil.« Weiter kam sie nicht. Der Strahl der Handbrause traf sie mitten ins Gesicht, das Wasser war siedend heiß. Pina taumelte zurück, stieß gegen das Waschbecken hinter ihr und rutschte auf dem nassen Boden aus. Sie krachte mit der Stirn gegen die Badewanne und spürte einen Schlag in ihrem Nacken und eine Hand, die in ihrer Hosentasche nach dem Schlüssel der Handfessel suchte. Instinktiv rollte sie weg und setzte zwei gezielte Schläge mit ihren Beinen in die Richtung der Angreiferin. Sie zog sich an der Kloschüssel hoch. Wieder der Strahl heißen Wassers. Sie griff nach der Badematte, um sich zu schützen, sprang auf und setzte mit drei geschulten Kicks nach. Einer traf das Kinn der Konsulin und schickte sie zu Boden. Ihre nackte Haut glitt mit einem Quietschen über die Wannenbeschichtung. Pina drehte das heiße Wasser ab und öffnete das Ventil des Kaltwasserhahns. Tatjana Drakič kam sehr rasch zu sich. Ihr verängstigter Blick gestand ihre Niederlage.
    »Steh auf«, herrschte Pina sie an. »Trockne dich ab und zieh dich an.« Blut rann über ihre Stirn und eine dicke Beule zeichnete sich ab. Ihr Gesicht brannte höllisch, sie warf einen Blick in den Spiegel, doch das Glas war beschlagen. »Und jetzt die Hände auf den Rücken.«
    Bis in den Flur hingen die Rauchschwaden, die aus dem Backofen drangen.
    »Scheiße.« Pina versetzte ihrer Geisel einen harten Stoß, der sie in die Küche stolpern ließ. »Mit deiner idiotischen Attacke hast du unser Abendessen versaut.« Sie riß das Fenster auf und die Tür des Backofens. Hustend wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht, während sie versuchte, die verkohlten Stücke herauszuziehen.
    Nach den stundenlangen Verhören hing Pina der Magen bis zu den Knien. Zuletzt war Milan vor ihr gesessen, doch der Hüne hatte sich keinen Deut um ihre Fragen und Drohungen geschert. Er hüllte sich in Schweigen und gähnte gelangweilt, obgleich Pina ihm das Inferno auf Erden ausmalte, wenn er nicht redete. Der Mann war offensichtlich ein Profi und geübt darin, auch härtere Verhöre, die das Gesetz nicht zuließ, zu überstehen. Sie würde ihn tagelang ausquetschen müssen. Außerdem hatte der Kerl im Gegensatz zu ihr wenigstens zu essen bekommen, auch wenn der Gefängnisfraß nicht aus einer Drei-Sterne-Küche stammte.
    Die Pizza glich einem Stück glimmender Holzkohle, und weit nach Mitternacht war in der Stadt kaum mehr etwas Eßbares aufzutreiben. Pina nahm zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank, brachte eine der Konsulin, die stumm, mit der rechten Hand ans Tischbein gekettet, dasaß wie ein angeschossener Puma und mit den Augen jedem ihrer Handgriffe argwöhnisch folgte. Pina durchwühlte die Küchenschränke, zog schließlich eine halbe Packung Spaghetti hervor, die sie längst vergessen hatte, getrocknete Peperoncini und aus dem Kühlschrank einige uralte Knoblauchzehen.
    »Anderes kann ich dir nicht anbieten, und eigentlich ist das schon zuviel.« Pina schenkte der Konsulin keinen Blick und gab die Spaghetti ins heiße Wasser. Sie zerhackte Knoblauch und Pfefferschoten, goß Olivenöl in die Pfanne und dünstete die Zutaten unter stetem Rühren auf kleiner Flamme. »Du wirst es auch ohne Petersilie essen, sei froh, daß du überhaupt etwas bekommst. Zum Wohl.« Pina nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche.
    Der Einbrecher hatte in der vergangenen Nacht das Geschirr komplett zertrümmert. Pina nahm zwei kleine Töpfe als Ersatz für Teller und füllte sie. »Guten Appetit«, sagte sie und machte sich wie ein halbverhungertes Raubtier über die Spaghetti her.
    »Viktor knallt dich ab«, sagte Tatjana Drakič unvermittelt, während sie lustlos in ihrer Pasta herumstocherte.
    Pina lächelte. »Schön, wenn man einen großen Bruder hat, der auf einen aufpaßt. Ich habe nur einen kleinen.«
    Die Konsulin lachte bitter auf. »Eine echte Zwergenfamilie also. Ich hätte es mir denken können.«
    Pina Cardaretos scharfe Handbewegung und ihr Blick, der sich erschrocken zum Flur wandte, brachte sie sogleich zum Schweigen.
    Jetzt hörte auch Tatjana Drakič, daß sich jemand an der Wohnungstür zu schaffen machte. »Das ist Viktor!« zischte sie mit fackelndem

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