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Totentanz

Totentanz

Titel: Totentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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geträumt? Diese Person trug eine schwarze, hochgeschlossene Jacke und keinen leichten weißen Mantel, und sie hatte dunkle Haare. Für einen Moment gelang es ihm, dem Drang, sie genauer sehen zu wollen, zu widerstehen und die Augen wieder zu schließen. Nur der Duft der Rosen war Wirklichkeit und das Gefühl des warmen Bettes, in dem er lag. Wie lange befand er sich schon hier?
    »Er wacht auf.« Eine tiefe Männerstimme, die ihm bekannt vorkam. »Ich bin mir sicher, daß er es nur hinauszögern will. Dem Faulpelz gefällt es zu gut im Bett, und weiß der Teufel, was er soeben noch geträumt hat.«
    Wieder spürte er die Feuchtigkeit an seiner linken Hand, die auf der Bettkante ruhte.
    »Proteo.« Auch dieses weiche Flüstern kannte er. Ganz nah an seinem Gesicht hörte er es. »Proteo?«
    Was sollte diese Frage, natürlich hieß er Proteo. Und zwar Proteo Laurenti, war Kommissar der Triestiner Kriminalpolizei und seit zwei Jahren Vicequestore. »Ja, er kommt zu sich.« Diesmal sprach die Stimme in eine andere Richtung.
    »Mehr Glück als Verstand. Aber das ist bei der geringen Hirnmasse nicht weiter schwer.« Das war wieder die Männerstimme, die am Ende in ein meckerndes Lachen überging.
    Er kniff fest die Augen zu. Er wollte nicht in diese Gegenwart zurück. Bis auf die Schmerzen ging es ihm ausgezeichnet. Er ahnte, daß er mit einer Unmenge Fragen überhäuft werden würde, sobald er aus Sicht der anderen ansprechbar schien.
    »Proteo, bist du da?« Das war die erste dumme Frage, auch wenn die Stimme diesmal fröhlich klang, erleichtert und sanft. »Ja, Sie haben recht, er wird gleich die Augen aufschlagen. Sie werden sehen.« Heiterkeit schwang mit.
    Und jetzt erkannte Proteo Laurenti sie, Živa Ravno, die Staatsanwältin aus Pula, seine Geliebte für vier Jahre.
    »Ich mache eine Wette dagegen. Wenn er aufwacht, muß er arbeiten. Das weiß er ganz genau. Der schläft noch lange oder tut wenigstens so.« Wieder dieser Mann. »Ich kenne ihn fast dreißig Jahre. Der ist nicht für die Arbeit gemacht. Da können Sie ihn bezirzen, wie Sie wollen. Er ist ein fauler Sack.«
    Laurenti konnte nicht mehr anders. Er machte zuerst das linke Auge auf, schloß es wieder, dann das rechte, schloß auch dieses wieder, riß dann beide auf und wollte sich mit einem Ruck aufrichten. Der alte Galvano hatte ihn genug provoziert und eine Abreibung verdient. Doch mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel Proteo Laurenti ächzend in die Kissen zurück. Warum konnte ihn der alte Gerichtsmediziner nicht wenigstens jetzt in Frieden lassen? Hatte Živa ihn gebeten mitzukommen, damit sie nicht mit ihrem ehemaligen Liebhaber alleine sein mußte?
    Bevor ihn weitere Fragen umtreiben konnten, spürte er plötzlich ein schweres Gewicht auf seiner Brust, als betastete ihn jemand, und dann fühlte er einen schlechtriechenden Lappen in seinem Gesicht, der immer wieder über ihn wischte. Unter Schmerzen schlug er die Augen auf und starrte auf eine riesige rosarote Zunge, die aus einem struppigen schwarzen Hundekopf über ihn herfiel. So hatte er sich die Rückkehr aus dem Paradies in die Welt der Lebenden nicht vorgestellt. Živa, Galvano und der Hund, eine merkwürdige Trinität.
    »Du hast verdammt viel Glück gehabt.« Živa lächelte ihn liebevoll an. »Ich bin so froh, daß du wieder bei uns bist.«
    »Ich rufe seine Frau an«, sagte Galvano und drückte die Tasten seines Mobiltelefons. »Sie muß gewarnt werden, daß der Kerl wieder unter den Lebenden ist. Wegen einer banalen Schußwunde so zu stürzen, daß die Verletzungen vom Fall schwerer sind als von der Kugel, bringt nur fertig, wer morgens um elf schon über ein Promille Alkohol im Blut hat.«
    »Zuerst will ich wissen, was passiert ist«, flüsterte Laurenti.
    Doch der alte Gerichtsmediziner hatte ihm schon den Rücken zugekehrt und tat, als hörte er ihn nicht.
    »Es gibt ernsthafte Komplikationen«, meckerte Galvano ins Telefon. Živa und Proteo warfen sich fragende Blicke zu.
    »Ja, du hast richtig gehört«, fuhr Galvano nach einer kurzen Pause fort. »Ein ernstes Problem. Du solltest kommen.« Und nach einer kurzen Pause: »Du hast alle Gründe, dich aufzuregen, Liebe. Laurenti ist wieder bei sich. Es geht ihm gut. Er wird überleben. Arme Frau.« Dann legte er auf, drehte sich um und machte ein trauriges Gesicht.
    Pina Cardareto hatte ihm am Vorabend gestanden, daß Laurenti entgegen der offiziellen Verlautbarungen noch lebte und seine Verletzungen nicht bedrohlich waren. Ein

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