Totentanz
Blick.
Pina riß ein Stück Klebeband von der Rolle und verschloß der nervös zur Tür blickenden Konsulin blitzschnell den Mund. Dann huschte sie, so leise sie konnte, in ihr Wohnzimmer, schnappte die Beretta und entsicherte sie. Mit drei Sprüngen war sie an der Tür und riß sie auf, bereit, ihrem Gegenüber das komplette Magazin in den Kopf zu jagen.
Der Mann machte einen mächtigen Sprung zurück, als er in den Lauf der Pistole starrte. Ein dicker Schlüsselbund fiel klirrend zu Boden.
»Sie?« fragte Pina erstaunt und senkte die Waffe ein Stück.
»Ich wollte doch nur nach dem rechten sehen. Der Rauch«, stammelte er, »es riecht nach Verkohltem.«
Pina schnappte sich den Schlüsselbund. »Sie sind ein widerlicher Schnüffler, und ich werde dafür sorgen, daß Ihnen das Handwerk gelegt wird.«
»Hüte deine Zunge, Zwergin«, zischte der Mann und machte einen Schritt nach vorn. »Und steck diese Waffe weg, sonst dreh ich dir den Hals um.«
Der Lauf der Beretta traf ihn an der Schläfe. Er stolperte über das ausgestreckte Bein der Polizistin und landete mit einem Aufschrei auf den Knien. Pina stand hinter ihm und riß ihn an den Haaren hoch. Aus der Tasche seines Jacketts ragte ein penibel zusammengefaltetes Stück Papier, das sie herauszog und auffaltete. Sie traute ihren Augen nicht.
»Scherben bringen Glück, mein Schatz. Diese Nacht bekommst du mich.« Es war eine Fotografie ihrer Küche, wie sie sie nach dem Einbruch vorgefunden hatte.
»Du bist also das Schwein«, sagte Pina knapp. »Das wird ein Fest. Zieh deine Hosen aus, Wichser. Los.«
Erst als er den kalten Lauf der Pistole im Nacken spürte, kam der Hausmeister ihrem Befehl im Zeitlupentempo nach.
»Und jetzt die anderen Klamotten«, herrschte ihn Pina an.
Nach und nach entledigte er sich seiner Kleidungsstücke und ließ sie zu Boden fallen. Schamhaft versuchte er sich mit den Händen zu bedecken.
»Und jetzt hau ab«, brüllte Pina und versetzte ihm einen Tritt. Sie ging zum Treppenhausfenster und warf zuerst den Schlüsselbund hinaus, dann seine Klamotten. »Los, such. In fünf Minuten ist die Polizei hier. Vielleicht schaffst du es vorher – sonst mußt du nackt in die Zelle.«
Sie hörte, wie sich das Klatschen der nackten Füße auf der steinernen Treppe in den unteren Stockwerken verlor, und ging in die Küche zurück. Die Konsulin hatte beide Portionen Spaghetti verdrückt und auch Pinas Bier ausgetrunken. Sie schaute die Kleine hämisch an. »Wenn du mir das nächste Mal den Mund verklebst, solltest du auch beide Hände fesseln, du Idiotin.«
Pina riß ihr die Hände auf den Rücken und fesselte sie. Wortlos führte sie Tatjana Drakič ins Schlafzimmer hinüber, stieß sie auf die Matratze und fesselte ihr auch die Beine. »Schlaf gut, Süße«, rief sie ihr zu und knipste das Licht aus.
Sie selbst rollte sich auf dem Sessel im Wohnzimmer zusammen und fiel bald in einen tiefen Schlaf.
*
Marco legte seinem Vater eine feine Stoffserviette auf die Brust und befestigte sie mit einer Wäscheklammer, auf der ein hölzerner Marienkäfer saß, am Revers seines Nachthemds. Dann stellte er einen Porzellanteller auf ein Tablett, legte feines Besteck daneben, nahm die Speisebehälter aus dem Korb und servierte, was er aus dem Restaurant mitgebracht hatte. »Eine Trilogie vom Stockfisch: angerührt nach Triestiner Art, dann mariniert mit Honig vom Karst und gerösteten Mandeln, und dieser hier ist pikant, mit einer Soße vom Meerrettich, Wasabi und frischem Ingwer. Das stellt dich schneller auf die Füße, als du glaubst.«
Laurenti lächelte. Aufmerksamkeit und Sorge waren für ihn bisher unentdeckte Züge im Charakter seines Sohnes. Doch ausgerechnet Baccalà? Ein paar Etagen tiefer nur lag immer noch die unbekannte Frau im Koma, die mit einem getrockneten Stockfisch erschlagen worden war. Galvanos Verdacht hatte sich inzwischen bestätigt. Unter anfänglichem Protest war sein Nachfolger in der Gerichtsmedizin endlich seinem Hinweis nachgegangen. Als das Ergebnis vorlag, rechtfertigte er sich vergebens, daß es so etwas in der Kriminalgeschichte der Welt bisher nicht gegeben habe. Galvano hatte es Laurenti soeben mit stolzgeschwellter Brust erzählt.
»Danke, Marco«, ächzte Laurenti, als er sich mit Hilfe des dreieckigen Griffs, der am Galgen über seinem Krankenbett baumelte, aufrichtete. »Stockfisch läßt sich wirklich sehr vielfältig verwenden. Aber bist du der Meinung, daß man Wasser dazu trinken muß?«
»Wasser oder
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